Primäre Prävention
Die primäre Prävention wird also schon beim gesunden Menschen angesetzt. Möglichkeiten primärer Prävention sind Schutzimpfungen, Kampagnen gegen das Rauchen, Ernährungsberatung, aber auch das Zähneputzen gehört hierher. Man versucht, möglichst viele Schutzfaktoren gegen Krankheiten zu finden, um diese dann zu verstärken. Hierzu zählt auch die Vermeidung von Risikofaktoren. Auch ein so drastischer Eingriff, wie eine Mastektomie bei Vorliegen einer BRCA1-Mutation gehört zur Primärprävention.
Für die Gesamtbevölkerung ist es häufig nützlicher, wenn die präventiven Maßnahmen auf große Gruppen mit geringem Risiko zielen und nicht etwa auf kleine Gruppen, deren Erkrankungsrisiko hoch ist (= Paradox der Prävention). So kann eine präventive Maßnahme, die der Gesellschaft einen großen Nutzen bringt, dem einzelnen Individuum u. U. wenig helfen.
Schutzfaktoren
Sie werden auch Protektivfaktoren genannt und können im Verlauf der Pathogenese pathobiologische Mechanismen unterbrechen oder in ihrer Wirkung abschwächen. Dazu gehört auch die Unterstützung und emotionale sowie finanzielle Zuwendung durch Freunde oder Angehörige. Somit wirken sie auch einer Rezidivbildung (= Rückfall im Heilungsprozess) oder Chronifizierung entgegen.
Resilienz bedeutet psychische Elastizität. Es handelt sich um die psychischen und physischen Fähigkeiten, die einem Individuum helfen, belastende Lebenskrisen ohne langfristige Beeinträchtigung zu verarbeiten. Bei einer hohen Resilienz im Umgang mit Krisen akzeptiert der Mensch die Situation, sucht aktiv nach einer Lösung (aktives Coping), fordert Hilfe und Unterstützung ein und bewahrt trotz der ungünstigen Situation die Überzeugung, dass die Situation sich wieder bessern wird.
Prüfungsbeispiel zur Resilienz
Aus dem Physikum: Wenn es beispielsweise einem Kind aus einer zerrütteten Familie mit extrem schwierigen Lebens- und Bildungsverhältnissen gelingt, einen guten Schulabschluss und eine erfolgreiche berufliche Laufbahn zu erreichen, spricht das für eine ausgeprägte Resilienz.
Neben der Resilienz stellen auch dispositioneller Optimismus, also eine generell zuversichtliche Lebenseinstellung, eine hohe internale Kontrollüberzeugung, Selbstwirksamkeitserwartung, ein ausgeprägter Kohärenzsinn und die sog. Hardiness (Widerstandsfähigkeit) psychische Schutzfaktoren gegenüber Krankheitsrisiken dar.
Die Selbstwirksamkeitserwartung beschreibt die Zuversicht (confidence), ein erwünschtes Verhalten in schwierigen Situationen ausüben zu können. Das Motto bei einer gut ausgeprägten Selbstwirksamkeitserwartung kann z.B. lauten „Ich glaube daran, das zu schaffen, da ich schon andere Situationen geschafft habe“, was auch durch den Zuspruch des Arztes unterstützt werden kann.
Salutogenetisches Konzept
Der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky entwickelte 1993 das salutogenetische Modell. Er schlug vor, bei der Betrachtung von Krankheit und Gesundheit den Fokus des Interesses auf die Aspekte zu lenken, die Menschen gesund erhalten. Sein salutogenetisches Modell fragt, warum ein Mensch trotz widriger Umstände gesund wird oder gesund bleibt. Ein pathogenetisches Modell dagegen erforscht Ursachen und Entstehung von Krankheit.
Im salutogenetischen Modell gibt es zwei Kernstücke des Gesundheitserhalts, die allgemeinen Widerstandsressourcen und den Kohärenzsinn:
Allgemeine Widerstandsressourcen sind innerpsychische Faktoren wie Persönlichkeitsfaktoren oder Copingstrategien, außerpsychische Faktoren wie das soziale Netzwerk, aber auch Umwelt- oder physiologische und biologische Faktoren.
Als Kohärenzsinn oder Kohärenzgefühl wird eine stabile Handlungsorientierung bezeichnet. Das Kohärenzgefühl ist bei einem Menschen hoch ausgeprägt, wenn er die Welt, in der er lebt, als verstehbar, handhabbar und sinnbehaftet auffasst. Sind diese Überzeugungen wenig ausgeprägt, ist der Kohärenzsinn gering und damit zur Erhaltung der Gesundheit weniger günstig.
Health-Belief-Modell
Dieses Modell beschreibt die Bedingungen, von denen gesundheitsbewusstes Verhalten abhängt. Dies schließt auch die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfeleistungen ein. Das Health-Belief-Modell (oder: sozialkognitives Prozessmodell) betont die Wichtigkeit der subjektiven gesundheitsbezogenen Überzeugungen (beliefs). Gesundheitsbewusstes Verhalten wird begünstigt, wenn:
die Überzeugung besteht, auf die eigene Gesundheitssituation Einfluss nehmen zu können und dies auch umsetzen zu können,
die Gefährlichkeit einer Erkrankung als hoch eingeschätzt wird,
die eigene Gefährdung (Risiko, Anfälligkeit) durch die Krankheit als hoch eingeschätzt wird,
die präventiven Maßnahmen als effektiv (wirksam) eingeschätzt werden (Handlungsergebniserwartung),
der Aufwand der präventiven Verhaltensweisen als gering eingeschätzt wird (wahrgenommene Barrieren, die dem präventiven Verhalten entgegenstehen).
Zudem können situative Hinweisreize, z.B. Medienberichte oder die Wahrnehmung von Symptomen, die subjektive Überzeugung für (oder gegen) gesundheitsbewusstes Verhalten beeinflussen. In Untersuchungen hat sich gezeigt, dass Frauen und Angehörige höherer sozialer Schichten ein besonders gesundheitsbewusstes Verhalten zeigen.
Nicht berücksichtigt im Health-Belief-Modell wird die Überzeugung, dass das gewünschte Verhalten auch unter widrigen Umständen aufrechterhalten werden kann (Selbstwirksamkeitswahrnehmung).
Beispiele zum Thema Health-Belief-Modell
Es wird z. B. ein Raucher mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) herangezogen, und du solltest wissen, dass dieser am ehesten das Rauchen aufgeben wird, wenn er die Symptome der Erkrankung dem Rauchen zuschreibt und er davon überzeugt ist, dass sie nach dem Rauchstopp verschwinden werden.
Weiteres Beispiel: Eine Frau, die wegen ihrer genetischen Prädisposition Angst vor Brustkrebs hat, wird wahrscheinlich häufiger zur Mammografie gehen, wenn ihre Ärztin betont, wie wichtig häufige Früherkennungsuntersuchungen für den Erfolg einer eventuellen Therapie sind.
Modell des geplanten Verhaltens
Hierbei ist ein Zusammenhang zwischen der persönlichen Einstellung gegenüber einer Handlung und der tatsächlichen Ausführung der Handlung gemeint. Wobei dieser Zusammenhang nicht absolut ist. Es wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst.
Zunächst wird aufgrund einer Einstellung eine Verhaltensintention gebildet, z. B. „Ich will mich gesund ernähren“. Neben den eigenen Einstellungen spielt auch die Erwartung anderer wichtiger Bezugspersonen eine Rolle („Mein Freund isst gerne deftig und findet es übertrieben jeden Tag Obst zu essen“). Je nach Gewichtung der eigenen Einstellung und jener der anderen ergibt sich aus der Summe eine Verhaltensabsicht. Z. B.: „Mir ist egal, was mein Freund denkt, es geht hierbei auch um meine Gesundheit“). Bis zu diesem Punkt ist immer noch nur die Absicht gebildet. Eine Umsetzung hängt von der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle ab. Sie wird definiert als „Erwartung einer Person, dass bestimmte Ereignisse sie davon abhalten könnten, das angestrebte Verhalten in die Tat umzusetzen.“ So entsteht eine geringe Verhaltenskontrolle trotz positiver Einstellung, wenn es in der unmittelbaren Umgebung keinen Obst- und Gemüseladen gibt in dem die Person einkaufen kann. Sie zeigt ihr geplantes Verhalten wahrscheinlich nicht. Die Handlung wird also nicht ausgeführt, wenn der subjektive Eindruck entsteht, es befänden sich Hindernisse auf dem Weg zur erfolgreichen Ausführung.
Eine positive Einstellung und die subjektive Wahrnehmung wie andere das Verhalten bewerten spielt besonders bei Jugendlichen eine große Rolle. Die Peer-Normen haben einen besonders starken Einfluss auf das Verhalten.

Modell des geplanten Verhaltens
Die persönliche Einstellung und die tatsächliche Ausführung stehen miteinander im Zusammenhang. Dieser wird jedoch von verschiedenen Faktoren beeinflusst.
(Quelle: Kessler, Kurzlehrbuch Medizinische Psychologie und Soziologie, Thieme, 2021)Verhältnisprävention
Unter diesen Begriff fallen strukturelle Maßnahmen, die gesundheitsförderliche Verhältnisse (z.B. am Arbeitsplatz oder an öffentlichen Plätzen) fördern und dabei möglichst viele Menschen gleichzeitig erreichen sollen. Hierzu gehört z.B. auch das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, die Gurtpflicht in Kraftfahrzeugen, die Ausweispflicht beim Kauf von alkoholhaltigen Getränken, das Vom-Markt-Nehmen von Lebensmitteln, die im Verdacht stehen, gesundheitsgefährdend zu sein, die Schließung gastronomischer Betriebe im Zuge von Pandemien oder auch die Fluoridierung des Trinkwassers.
Diese strukturelle Gesundheitsförderung wird von der personalen (individuellen) unterschieden, bei der die Maßnahmen an einzelnen Personen ansetzen. Zu solchen individuellen Bemühungen, die eigene Gesundheit zu verbessern, gehören z.B. die Teilnahme an Kursen zur Stressbewältigung oder zur Raucherentwöhnung.
Verhaltens- und Verhältnisprävention
Die Verhaltensprävention bezieht sich auf das individuelle Gesundheitsverhalten eines einzelnen Menschen und soll dessen Gesundheitskompetenz stärken, indem Risikofaktoren (z.B. Bewegungsmangel, Konsum von Nikotin und Alkohol, einseitige Ernährung) reduziert werden. Die Verhältnisprävention berücksichtigt die Lebens- und Arbeitsverhältnisse (z. B. Wohnumgebung, Einkommen, Bildung), die ebenfalls eine Auswirkung auf die Gesundheit haben können.
Prävention
Das IMPP scheint die Prävention sehr ernst zu nehmen. Wie sonst sollte man sich erklären, dass regelmäßig so viele Fragen zu diesem Thema gestellt werden? Deine beste Prävention vor unangenehmen Überraschungen in der Prüfung ist eine sorgfältige Erarbeitung des Themas.