Einführung
Genome sind dynamische Einheiten, die sich im Laufe der Zeit durch mehr oder weniger geringfügige Modifikationen der Nucleotidsequenz verändern. Diese vererbbaren Veränderungen und Fehler in der Nucleotidsequenz der DNA werden Mutationen genannt. Diese können nur einzelne Basen betreffen oder auch größere DNA-Abschnitte und sowohl Quantität als auch Qualität des genetischen Materials modifizieren. Mutationen können zum einen spontan, ohne äußere Einflüsse, entstehen, weil die zelluläre Maschinerie nicht fehlerfrei arbeitet oder Basen instabil sind. Zum anderen können sie aber auch durch chemische oder physikalische Mutagene induziert werden.
Mutationen sind unvermeidlich und eine notwendige Grundlage der Evolution, wirken sich aber meist negativ auf den Organismus aus. Zur Schadensbegrenzung haben die Organismen wirkungsvolle Reparaturmechanismen entwickelt, die die Häufigkeit von Mutationen auf ein verträgliches Maß beschränken.
Ursachen von Mutationen
Spontane Mutationen
Spontane Mutationen gehen z.B. auf tautomere Formen der Nucleotide oder auch auf spontane chemische Veränderungen der Nucleotide zurück. Weichen die veränderten Basen in ihrer Basenpaarung von der Paarung der ursprünglichen Base ab und werden die modifizierten Basen nicht von Reparatursystemen erkannt und beseitigt, dann etabliert sich in den folgenden Replikationsrunden eine von der Ursprungssequenz abweichende Nucleotidsequenz.
Auch kann es trotz der Korrekturlesefunktion der DNA-Polymerase während der Replikation zu einem Falscheinbau von Nucleotiden kommen.
Eine Ursache für Fehlpaarungen bei der DNA-Replikation ist die Tautomerie der DNA-Basen, wie die Keto-Enol-Tautomerie von Guanin und Thymin oder die Amino-Imino-Tautomerie von Adenin und Cytosin. Dabei neigt die seltene tautomere Form der Basen (die Enolform bei Guanin und Thymin bzw. die Iminoform bei Adenin) zu Fehlpaarungen bei der Replikation und trägt so zu Mutationen bei (Strukturformeln der Tautomere siehe Bild).
Cytosin, Adenin und Guanin wie auch 5-Methylcytosin können spontan hydrolytisch desaminiert werden und sich dadurch in ihren Paarungseigenschaften verändern, was zu Punktmutationen (s.u.) führen kann.
Cytosin kann spontan zu Uracil desaminiert werden. Diese Desaminierung (die Entfernung einer Aminogruppe) ist potenziell mutagen, da Uracil mit Adenin ein Basenpaar bildet. Allerdings wird das Uracil in der DNA von einem Reparatursystem, zu dem unter anderem die Uracil-DNA-Glykosylase, eine AP-Endonuclease und die DNA-Polymerase β gehören, erkannt und repariert (Basenexzisionsreparatur). Das Enzym spaltet die glykosidische Bindung zwischen Uracil und Desoxyribose. Es entsteht eine AP-Stelle (apurinische bzw. apyrimidinische Stelle), in die erneut Cytosin eingebaut wird.
Adenin kann zu Hypoxanthin desaminiert werden, das bei der Replikation eher mit Cytosin als mit Thymin ein Basenpaar bildet.
Cytosin kann durch DNA-Methylasen zu 5-Methylcytosin methyliert werden. Diese Methylierung, die eine normale physiologische Modifikation darstellt und z.B. in der Epigenetik von Bedeutung ist, ist in höheren Eukaryoten auf die Cytosinbasen in CpG-Sequenzen, also auf die Cytosine vor einem Guanin, beschränkt. Die Inseln befinden sich oft in oder in der Nähe von zahlreichen Promotoren (CpG-Inseln) und es hat sich gezeigt, dass die Methylierung an der Regulation der Genexpression beteiligt ist.
5-Methylcytosin kann auch spontan hydrolytisch zu Thymin desaminiert werden. Thymin wird von Reparaturenzymen nicht erkannt und nicht repariert und paart in der nächsten Replikationsrunde mit Adenin.Bei der Desaminierung von Guanin entsteht Xanthin, das jedoch die Replikation blockiert und daher nicht mutagen wirkt.
Neben den Desaminierungen von Basen kann auch eine spontane Hydrolyse der glykosidischen Bindung zwischen Base und Desoxyribose stattfinden, die zu einer Depurinierung oder, seltener, einer Depyrimidinierung führt. Es entsteht eine AP-Stelle (apurinische bzw. apyrimidinische Stelle).
Mutationen können auch durch Fehler während der Replikation entstehen, obwohl die DNA-Polymerase über mehrere Korrekturfunktionen verfügt, die ein hohes Maß an Genauigkeit sicherstellen. Die DNA-Polymerase führt zum einen während der Replikation eine Nucleotidselektion durch. Sollten trotz dieser Kontrolle falsche Nucleotide eingebaut werden, kann das Enzym diese durch die 3‘-5‘-Exonucleaseaktivität entfernen (Korrekturlesefunktion). Befinden sich später dennoch falsch eingebaute Nucleotide im neu synthetisierten DNA-Strang, können sie auch durch die Mismatch-Reparatur erkannt und korrigiert werden.
Die DNA-Polymerase kann während der Replikation auch verrutschen (auch als Slippage bezeichnet), indem sich Matrizenstrang und neu synthetisierter Strang etwas gegeneinander verschieben und ein Abschnitt des Matrizenstrangs zweimal oder auch gar nicht abgelesen wird. Folge ist, dass eine geringe Zahl an Nucleotiden in den neu synthetisierten DNA-Strang eingefügt wird (Insertion, s.u.) oder im Tochterstrang fehlen (Deletion, s.u.). Dieser Vorgang kann prinzipiell alle Teile des Genoms betreffen, er tritt aber bevorzugt an Stellen auf, an denen kurze Sequenzwiederholungen wie Mikrosatelliten vorkommen. Er ist ein sehr wichtiger Grund dafür, warum die Zahl der Wiederholungseinheiten im Eltern- und Tochterstrang unterschiedlich sein kann und diese Regionen auf der DNA hochvariabel sind. Eine solche Insertion oder Deletion kann im codierenden Bereich zu einer Verschiebung des Leserasters (Frameshift) führen (s.u.). Das Verrutschen ist vermutlich auch Ursache von Triplettexpansionen (s.u.).
Chemische Mutagene
Chemische Substanzen, die Mutationen hervorrufen können, sind z.B. Benzpyren, salpetrige Säure, alkylierende Substanzen (Senfgas), Formaldehyd, Zytostatika, Peroxide und Bestandteile von Schädlingsbekämpfungsmitteln oder Abgasen. Durch diese Substanzen werden Nucleotide derart modifiziert, dass Basenfehlpaarungen oder sperrige Addukte innerhalb der DNA entstehen. Auch Basenanaloga, d.h., bereits im Vorfeld chemisch veränderte Basen können mutagen wirken, wenn sie in die DNA eingebaut werden.
Alkylierende Agenzien binden Alkylgruppen (Methyl- oder Ethylgruppen) kovalent an alle Positionen der DNA-Basen, die einer Methylierung oder Ethylierung zugänglich sind, wie z.B. die Stickstoff- und Sauerstoffatome, aber auch an die Phosphatgruppen.

Alkylierung von Nucleotiden
Die Punkte markieren Stellen, an denen Methyl- oder Ethylgruppen angehängt werden können.
(Quelle: Nordheim, Knippers, Molekulare Genetik, Thieme, 2018)Beispiele für solche Verbindungen sind Alkylsulfate wie Ethylmethansulfonat (EMS) und auch N-Nitrosoverbindungen wie Dimethylnitrosamin.

Alkylierende Verbindungen
(Quelle: Nordheim, Knippers, Molekulare Genetik, Thieme, 2018)Die Auswirkung der Alkylierung hängt von der Position, an der das Nucleotid modifiziert wird, und der angehängten Alkylgruppe ab. Die Alkylierung der Basen führt über Fehlpaarung der modifizierten Base oder eine fehlerhafte Reparatur zur Mutation. So paart z.B. O6-Methylguanin während der Replikation mit Thymin. Alkylierende Verbindungen mit 2 Alkylgruppen können auch zu Quervernetzungen der DNA führen.
Interkalierende Verbindungen sind flache aromatische Ringsysteme, die sich horizontal zwischen die Basenpaare schieben (sie interkalieren) und so den Abstand zwischen benachbarten Basen etwas vergrößern. In der Regel führen interkalierende Substanzen zu Insertionen, aber auch die Transkription kann gestört werden. Das bekannteste Beispiel ist Ethidiumbromid.
Polyzyklische Kohlenwasserstoffe entstehen bei unvollständigen Verbrennungsprozessen und befinden sich z.B. im Zigarettenrauch. Die Moleküle werden in Phase I der Biotransformation in der Leber, in der toxische Substanzen eigentlich inaktiviert werden sollten, durch Cytochrom-P450-Monooxygenasen aktiviert (Giftung) und reagieren z.B. mit Guanin, wodurch ein sperriges Addukt (bulky adduct) entsteht, das die Helixstruktur der DNA verändert. Ein Beispiel für eine solche Giftung ist die Bildung eines reaktiven Epoxids aus Benzpyren (siehe Bild). Auch Aflatoxine, Mykotoxine aus Schimmelpilzen der Gattung Aspergillus, unterliegen im menschlichen Organismus einer Giftung und werden in der Leber in reaktive Epoxide umgewandelt, die mit den DNA-Basen unförmige Addukte bilden und so kanzerogen wirken können.
Basenanaloga sind Purin- und Pyrimidinbasen mit großer Ähnlichkeit zu den normalen Basen. Sie werden anstelle der normalen Basen in Nucleotide eingebaut, die bei der Replikation der DNA als Substrate dienen. Der mutagene Effekt entsteht durch das veränderte Gleichgewicht der tautomeren Formen dieser Derivate (Strukturformeln der Tautomere siehe Bild) und die damit einhergehende größere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Fehlpaarungen. Zwei Beispiele für Basenanaloga sind 5-Bromuracil und 2-Aminopurin.
5-Bromuracil (5-BU) ist ein Thyminanalogon, das wie Thymin gegenüber von Adenin eingebaut wird. Das Gleichgewicht der tautomeren Formen liegt bei 5-BU mehr als bei Thymin auf der Seite der seltenen Enolform Enol-5-BU, das wie Enolthymin mit Guanin ein Basenpaar bildet. Die Wahrscheinlichkeit, dass in der folgenden Replikationsrunde ein Guanin statt eines Adenins eingebaut wird, ist beim Einbau von 5-BU also höher als bei Thymin.
2-Aminopurin ist ein Adeninanalogon, das gegenüber von Thyminen eingebaut wird. Die Iminoform von 2-Aminopurin, die häufiger vorliegt als Iminoadenin, paart mit Cytosin.
Aminogruppen können sich spontan von den Basen lösen (s.o.), doch erhöhen bestimmte chemische Verbindungen die Rate der Desaminierungen. Dies sind beispielsweise mutagene Nitrosoverbindungen wie salpetrige Säure (HNO2), die Aminogruppen der DNA oxidieren und z.B. zur Desaminierung von Cytosin zu Uracil führen. Aber auch von Adenin, Guanin und 5-Methylcytosin können solche Verbindungen eine Aminogruppe abspalten.
Hauptverursacher für oxidative Schäden sind Hydroxylradikale (●OH). Sie werden endogen als Folge des oxidativen Stoffwechsels aus Wasserstoffperoxid (H2O2) gebildet, können aber auch durch ionisierende Strahlung (s.u.) oder chemische Mutagene wie Radikalbildner entstehen. Reaktive Sauerstoffspezies können zu vielfältigen DNA-Schäden führen, von denen die Oxidation von Guanin in der DNA zu 8-Oxoguanin eine besondere Bedeutung hat. Bei der Replikation kann gegenüber einem 8-Oxoguanin sowohl das normale Cytosin als auch, bevorzugt, ein Adenin eingesetzt werden. Aus einem GC-Basenpaar wird ein AT-Basenpaar. Aber auch das Guanin im freien dGTP kann oxidiert werden, sodass 8-OxodGTP entsteht. Dieses kann bei der Replikation gegenüber Adenin im Matrizenstrang eingebaut werden. In einem weiteren Replikationsschritt wird gegenüber 8-Oxoguanin dann möglicherweise Cytosin eingebaut. Aus einem AT-Basenpaar wird ein GC-Basenpaar.

Basenpaarung von 8-Oxoguanin
8-Oxoguanin kann mit Cytosin ein Basenpaar bilden, bevorzugt paart es aber mit Adenin und führt so zu einer Punktmutation.
(Quelle: Nordheim, Knippers, Molekulare Genetik, Thieme, 2018)Physikalische Mutagene
Ionisierende Strahlen wie UV-Strahlen, Röntgenstrahlen oder Strahlung aus dem radioaktiven Zerfall von Atomkernen radioaktiver Nuklide wie γ- und β-Strahlung führen auf physikalischem Weg durch Veränderungen an Nucleotidbausteinen der DNA zu Mutationen.
Röntgen-, γ- oder auch β-Strahlen können direkt auf die DNA wirken, aber auch die Bildung von schädigenden Verbindungen anregen. So kann eine Ionisierung durch Strahleneinwirkung über Einzel- oder Doppelstrangbrüche in Chromosomenaberrationen münden. Auch treten durch die kovalente Verknüpfung von gegenüberliegenden Basen der Doppelhelix Quervernetzungen (cross links) zwischen den beiden DNA-Strängen auf, sodass eine spätere Replikation verhindert wird. Die Strahlen können aber auch die Bildung von Radikalen mit mutagenen Eigenschaften induzieren, wie es beim Hydroxylradikal der Fall ist.
UV-Strahlung ist die ionisierende Strahlung mit der niedrigsten Energie. Dennoch regt UV-Licht (insbesondere UV-B) Purin- und Pyrimidinnucleotide an, sodass diese Bindungen untereinander eingehen. Das typische Produkt von UV-Strahlen ist das Thymindimer. Die Strahlen zerstören die Doppelbindungen der Pyrimidinringe. Dadurch reagieren benachbarte Thyminreste in der DNA miteinander und verbinden sich über einen Cyclobutanring. Ein Thymindimer ist bei bis zu 85 % der UV-Schäden der DNA zu beobachten. Wesentlich seltener (in nur 10 % der UV-Schäden) tritt das TC(6–4)-Photoprodukt auf, bei dem das C6-Atom des Thymins kovalent mit dem C4-Atom eines benachbarten Cytosins verbunden wird. In beiden Fällen werden die Konformation des DNA-Stranges und damit auch die Replikation gestört.

DNA-Schäden nach UV-Bestrahlung
Das charakteristische Produkt einer Bestrahlung der DNA mit UV-Licht ist das Thymindimer mit seinem Cyclobutanring. Viel seltener tritt das TC(6–4)-Photoprodukt auf, bei dem eine Thyminbase mit einem benachbarten Cytosin eine kovalente Bindung eingeht.
(Quelle: Murken, Grimm, Holinski-Feder Humangenetik, Thieme, 2017)Arten von Mutationen
Mutationen sind vererbbare Veränderungen der genetischen Information. Man unterscheidet 3 Arten von Mutationen: Genommutationen, Chromosomenmutationen und Genmutationen.
Genommutationen
Genommutationen (numerische Chromosomenaberrationen) betreffen die Anzahl vollständiger Chromosomensätze (Euploidie, z.B. Triploidie) oder einzelner Chromosomen eines Satzes (Aneuploidie, z.B. Trisomie).
Chromosomenmutationen
Bei Chromosomenmutationen (strukturelle Chromosomenaberrationen) handelt es sich um strukturelle Umlagerungen von größeren Bereichen eines Chromosoms. Die Art der Chromosomenmutation hängt unter anderem von der Zahl und der Verteilung der Chromosomenbrüche ab. Man unterscheidet:
Deletion: Ein Teil des genetischen Materials geht verloren.
Duplikation: Ein Teil des genetischen Materials wird vervielfältigt.
Inversion: Es treten 2 Brüche in demselben Chromosom auf und das mittlere Fragment wird in umgekehrter Orientierung wieder an derselben Stelle eingefügt.
Translokation: Ein DNA-Abschnitt wird in ein anderes Chromosom verlagert.
Genmutationen
Bei Genmutationen handelt es sich um Veränderungen nur eines oder mehrerer benachbarter Nucleotide. Das Genprodukt kann durch die Veränderung völlig funktionsunfähig werden, die Mutation kann aber auch neutral sein (keine Veränderung des Genprodukts), die Aktivität des Genprodukts herabsetzen oder auch steigern. Eine somatische Genmutation, die spontan in einer Körperzelle entsteht, betrifft normalerweise nur eines der beiden Allele. Ein Funktionsverlust wird also in der Regel vom nicht mutierten Allel aufgefangen. Man unterscheidet z.B.:
Bei einer Punktmutation ist nur ein Nucleotid verändert. Solche Mutationen sind für die Ausbildung von verschiedenen Allelen und somit auch für die Vielfalt der Merkmale verantwortlich. Punktmutationen entstehen physiologisch durch fehlerhafte DNA-Replikation oder können chemisch durch bestimmte Substanzen (z.B. Basenanaloga) induziert werden (s.o.).
Substitution: Bei der Substitution werden Nucleotide ausgetauscht. Beim Austausch einer Pyrimidinbase gegen eine andere Pyrimidinbase und einer Purinbase gegen eine andere Purinbase handelt es sich um eine Transition. Wird eine Pyrimidinbase gegen eine Purinbase ausgetauscht oder umgekehrt, spricht man von einer Transversion. Bei der Substitution bleibt das Leseraster erhalten.

Transition und Transversion
Wird eine Pyrimidinbase gegen eine andere Pyrimidinbase ausgetauscht und eine Purinbase gegen eine andere Purinbase, spricht man von einer Transition. Beim Austausch einer Pyrimidinbase gegen eine Purinbase und umgekehrt spricht man von einer Transversion.
(Quelle: Nordheim, Knippers, Molekulare Genetik, Thieme, 2018)Eine Substitution kann unterschiedliche Auswirkungen haben:
stille Mutation (auch Sense-Mutation genannt): aufgrund des degenerierten genetischen Codes führt der Basenaustausch nicht zum Austausch einer Aminosäure; viele Aminosäuren sind bereits durch die ersten beiden Nucleotide eines Codons eindeutig bestimmt, betrifft die Substitution die dritte Stelle eines solchen Codons, wird trotz der veränderten Nucleotidsequenz die gleiche Aminosäure eingebaut
Missense-Mutation: Austausch einer Aminosäure; die Auswirkung auf die Funktionalität des Proteins hängt von den chemischen Eigenschaften der Aminosäure und ihrer Funktion im Protein ab; ähneln sich die Eigenschaften der beiden Aminosäuren, ist die Funktion des Proteins in der Regel nicht beeinträchtigt und der Austausch tolerierbar; weichen die Eigenschaften stark voneinander ab, führt der Austausch der Aminosäuren in der Regel zu einer Einschränkung oder auch zu einem Verlust der Funktion; befindet sich die Aminosäure im aktiven Zentrum eines Enzyms, ist das modifizierte Enzym mit großer Wahrscheinlichkeit in seiner Aktivität stark eingeschränkt, ist die Aminosäure an anderer Stelle lokalisiert, ist die Funktion möglicherweise nicht beeinträchtigt
Nonsense-Mutation: Es entsteht ein Stoppcodon, sodass die Translation vorzeitig abgebrochen wird.
Readthrough-Mutation: Die Mutation befindet sich im Bereich eines Stoppcodons, sodass die Translation nicht abbricht. Stattdessen wird das Protein bis zum nächsten „intakten“ Stoppcodon verlängert.
Punktmutationen sind häufig die Ursache für Stoffwechselerkrankungen. Ein Beispiel ist die Sichelzellanämie (Diagnose mithilfe molekulargenetischer Methoden). Sie betreffen jedoch nicht nur die proteincodierenden Abschnitte von Genen, sondern auch Promotoren, Spleißstellen, Polyadenylierungsstellen usw. Mutationen in Introns haben meist keine Auswirkungen.

Substitutionen
(Quelle: Nordheim, Knippers, Molekulare Genetik, Thieme, 2018)Insertion und Deletion: Insertionen (Einfügen) oder Deletionen (Entfernen) einzelner Nucleotide machen im Genom des Menschen fast ein Viertel aller Genmutationen aus. Treten sie im Exonbereich eines Gens auf, führen sie zu einer Verschiebung des Leserasters (Frameshift-Mutation), sodass ab der Läsion während der Translation die falschen Aminosäuren zur Synthese des Proteins verwendet werden. Häufig entsteht durch die Verschiebung auch ein Stoppcodon, sodass die Translation kurz hinter der Läsion abbricht.
Deletionen und Insertionen beschränken sich nicht nur auf einzelne Nucleotide, sondern können auch 2, 3 oder mehr Nucleotide umfassen. Begünstigt werden solche Veränderungen durch repetitive Sequenzabschnitte (Mini- oder Mikrosatelliten), da sich hier der Matrizenstrang und der neu synthetisierte DNA-Strang während der Replikation leicht verschieben können und einige Nucleotide dadurch gar nicht, andere dagegen mehrfach repliziert werden. Deletionen und Insertionen von mehr als einem Nucleotid sind aber nicht auf repetitive Sequenzen beschränkt – sie treten in Exons und Introns auf – und auch interkalierende Verbindungen können solche Mutationen hervorrufen.
Werden 2 Basen eingefügt oder entfernt und die Mutation befindet sich in einem Exon, ergibt sich auch hier eine Verschiebung des Leserasters, sind 3 Basen oder ein Vielfaches davon betroffen, bleibt das Leseraster erhalten (In-Frame-Mutation). Auf diese Weise entstehen auch Trinucleotidwiederholungen (Triplettexpansionen), bei denen sich Basentripletts in unterschiedlicher Anzahl wiederholen und auf die einige seltene genetische Erkrankungen zurückgehen. Grund für die zusätzlichen Tripletts ist in den meisten Fällen ein Verrutschen der DNA-Polymerase (s.o.). Bei der Replikation der DNA verrutscht die DNA-Polymerase und synthetisiert zusätzliche Tripletts.
Trinucleotidwiederholungen mit variabler Ausdehnung
Eine erst seit Anfang der 1990er-Jahre bekannte Ursache zahlreicher aber seltener genetischer Erkrankungen, die mit neurodegenerativen Symptomen einhergehen, sind Trinucleotidwiederholungen mit variabler Ausdehnung (triple repeat expansion). Charakteristisch für diese Krankheiten ist Mikrosatelliten-DNA im Gen selbst oder in angrenzenden, untranslatierten Regionen (UTR), die eine über die Norm hinausgehende Zahl von Wiederholungseinheiten eines bestimmten Tripletts aufweisen.
Die Zahl der Triplettwiederholungen ist in Keimbahnzellen und auch in somatischen Zellen instabil. In der Normalbevölkerung ist die Zahl der Wiederholungen begrenzt und wird stabil vererbt. Bei Trägern von Prämutationen Ist die Zahl der Wiederholungen leicht erhöht. Sie zeigen keine Symptome oder das Krankheitsbild ist nicht voll ausgeprägt bzw. tritt erst in einem höheren Alter oder gar nicht auf. Solche Allele sind in der Meiose jedoch instabil und bilden die Basis für die Ausbildung einer Vollmutation durch eine weitere Vervielfältigung der Wiederholungseinheit. In der folgenden und weiteren Generationen kann ihre Zahl durch eine Triplettverlängerung während der Keimzellbildung plötzlich auf das Doppelte oder auch Vielfache des ursprünglichen Umfangs ansteigen – einhergehend mit schwereren Symptomen und einem früheren Krankheitsbeginn. Der Grund für eine solche Entwicklung, auch Antizipation genannt, ist, dass der DNA-Abschnitt für eine weitere Expansion in den nächsten Replikationsrunden immer anfälliger wird, sobald die Zahl der Triplettwiederholungen ein gewisses Ausmaß überschritten hat. Dadurch wirkt sich die Erkrankung in den folgenden Generationen immer stärker aus.
Ein Beispiel für eine solche Erkrankung ist die Huntington-Krankheit. Die Huntington-Krankheit wird autosomal vererbt und durch Veränderungen im HTT-Gen (= IT15) für das Protein Huntingtin auf Chromosom 4 ausgelöst, welches in Neuronen und anderen Körperzellen exprimiert wird. Beim gesunden Menschen enthält das Gen zwischen 6 und 26 Wiederholungen des Basentripletts 5'-CAG-3', das die Aminosäure Glutamin codiert. Bei Trägern der Krankheit liegt eine Expansion auf bis zu 250 Tripletts vor, sodass das mutierte Huntingtin eine Folge von wesentlich mehr Glutaminresten als üblich aufweist. Die genauen molekularen Auswirkungen solcher Mutationen sind zwar noch nicht endgültig aufgeklärt, doch neigen Polyglutamine dazu, zu präzipitieren, sodass Neuronen in den Basalganglien des Gehirns durch Ablagerungen geschädigt werden können. Es kommt zu synaptischen Dysfunktionen, Störungen im axonalen Transport und Schädigung der Mitochondrien.
Symptomatisch treten u.a. schwere motorische Störungen auf. Je mehr Triplettwiederholungen vorliegen, umso früher tritt die Krankheit im Schnitt auf. Nicht nur der Zeitpunkt des Ausbruchs, sondern auch die Penetranz ist bei der Huntington-Krankheit von der Zahl der CAG-Wiederholungen abhängig. Liegen 27–39 Wiederholungen vor, ist die Penetranz unvollständig. Je nach genetischer Disposition kommt die Erkrankung zum Ausbruch oder nicht. Nehmen die Wiederholungen zu, sinkt das Manifestationsalter und die Penetranz steigt. Bei über 55 Wiederholungen kann die Erkrankung bereits im jugendlichen Alter ausbrechen.
Beim Fragilen-X-Syndrom befinden sich übermäßig häufige Wiederholungen von 5'-CGG-3' in der 5'-UTR des FRM1-(fragile site mental retardation-1-)Gens auf dem X-Chromosom. Das Trinucleotid wird zwar nicht exprimiert, doch bildet sich dort eine fragile Stelle, an der das Chromosom mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit brechen kann. Außerdem führt die Expansion zu einer Methylierung der Promotorregion und zur Stilllegung der Genexpression. Weitere Beispiele mit nicht-exprimierten Nucleotid-Wiederholungen sind die Myotone Dystrophie Typ 1 (5'-CTG-3' in der 3'-UTR des DMPK-Gens) oder auch Friedreich-Ataxie (5'-GAA-3' in einem Intron eines kerncodierten mitochondrialen Gens). Bei der Myotonen Dystrophie Typ 2 liegt eine Tetranucleotid-Wiederholung vor (5'-CCTG-3' im Intron 1 des CNBP-Gens). Bei den drei zuletzt genannten Krankheiten akkumuliert die fehlerhafte RNA und bildet Aggregate mit RNA-bindenden Proteinen, wodurch es vermutlich zu allgemeinen Störungen der Transkription und des Splicings kommt.
Eine genaue Diagnostik der Erkrankungen ist beispielsweise mithilfe gentechnischer Methoden wie der Untersuchung von Mikrosatelliten mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) möglich.
Diese ausgedehnteren, aber lichtmikroskopisch nicht sichtbaren Umbauten betreffen größere Regionen wie einzelne Exons, ganze Gene oder mehrere benachbarte Gene, die deletiert, dupliziert oder auch invertiert werden können. Sie umfassen mehrere Hundert, mehrere Tausend oder auch bis zu einer Million Basen. Deletionen, die ein Exon oder die Erkennungsregion für die Spleißosomen (Exon-Intron-Übergangsregion) betreffen, haben schwerwiegende Folgen. Es entstehen meistens funktionsunfähige Genprodukte. Innerhalb eines Gens haben Inversionen phänotypische Auswirkungen.
Hämophilie A
Die am häufigsten beschriebene Inversion betrifft eine Region innerhalb des außergewöhnlich großen Gens für den Faktor VIII auf dem X-Chromosom (es umfasst ca. 0,1 % des gesamten X-Chromosoms). Während der Meiose der männlichen Keimbahn wird die Orientierung der Exons 1–22 durch eine intrachromosomale Schleifenbildung umgedreht. Dadurch wird die vollständige Transkription und Translation des Faktor-VIII-Gens unterbunden. Der Mangel an Faktor VIII führt zum klinischen Bild der Hämophilie A, wobei etwa 40 % der Fälle auf die beschriebene Inversion zurückgehen. Durch die Größe des Gens ist die Zahl der Mutationen insgesamt recht hoch. Bislang wurden nahezu 1000 Mutationen beschrieben. Die Patienten sind Bluter und müssen medikamentös mit dem Faktor VIII versorgt werden. Mehr zur Hämophilie A und B findest du hier.
Bewegliche genetische Elemente – also Transposons oder Retroposons – können ihre Position im Genom verändern (springende Gene). Erfolgt die Insertion in ein Gen, kann dessen Genprodukt dadurch inaktiviert werden.
Auch fehlerhafte Crossing-over-Prozesse während der Meiose können zu Genmutationen mit den entsprechenden Folgen führen.
Rotgrünblindheit
Ursache für die Rotgrünblindheit sind häufig Rekombinationsfehler während der Meiose durch ein ungleiches Crossing-over zwischen dem Gen für Grün-Opsin und dem für Rot-Opsin, die eng beieinander auf dem X-Chromosom lokalisiert sind. Die Betroffenen können dann Rot und Grün nicht mehr voneinander unterscheiden.
Es gibt 2 Formen der Rotgrünblindheit:
Rotblindheit (Protanopie): Die Gene für das Grün-Opsin sind unverändert, die für das Rotsehen sind mutiert oder fehlen.
Grünblindheit (Deuteranopie): Die Gene für das Rot-Opsin sind unverändert, die für das Grünsehen sind mutiert oder fehlen.
Das folgende Bild zeigt, welche Auswirkungen Punktmutationen in Genen haben, die Enzyme des Tyrosinstoffwechsels codieren. Bei einer Mutation in der Phenylalaninhydroxylase führt die daraus resultierende Anreicherung von Phenylalanin zur Phenylketonurie.

Mutationen im Tyrosinstoffwechsel
Die Inaktivierung der Enzyme des Tyrosinstoffwechsels durch Mutation führt zu verschiedenen rezessiv vererbten Erkrankungen.
(Quelle: Poeggel, Kurzlehrbuch Biologie, Thieme, 2013)
Tautomere Formen der Basen
Die Basen der Nucleotide können in 2 unterschiedlichen tautomeren Formen vorkommen, die unterschiedliche Paarungseigenschaften besitzen.

Bildung eines reaktiven Epoxids aus Benzpyren
Die Cytochrom-P450-Monooxygenasen vermitteln in Phase I der Biotransformation die Einführung eines Sauerstoffatoms in Benzpyren des Tabak- und Grillrauchs. Das entstehende Epoxid kann die DNA schädigen und Mutationen hervorrufen.
(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)