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      • Hämoglobin: Synthese und Abbau V
        1. Steckbrief
        2. Aufbau und Funktion von Hämoglobin
        3. Hämgruppe (Häm)
        4. IMPP-Fakten im Überblick
      • Glykiertes Hämoglobin, Methämoglobin, Carboxyhämoglobin, Myoglobin V
      • Schutz vor oxidativem Stress V
      • Sauerstoff- und CO2-Transport im Blut V
      • Rechenbeispiele zum Sauerstoff- und CO2-Transport V
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Hämoglobin: Synthese und Abbau

  •  IMPP-Relevanz
  • Lesezeit: 17 min
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Steckbrief

Ein Hämoglobinmolekül ist ein tetrameres Protein. Es besteht aus 4 Proteinketten (Globinanteil) und 4 Hämgruppen, die von den Globinketten gebunden werden. Das häufigste Hämoglobin beim Erwachsenen ist das Hämoglobin A0 (HbA0, früher HbA1), das aus 2 α- und 2 β-Ketten besteht (α2β2). Das fetale Hämoglobin (HbF) ist dagegen aus 2 α- und 2 γ-Ketten aufgebaut (α2γ2).

Die Hämgruppe (das Häm) ist die prosthetische Gruppe des Hämoglobins. Sie besteht aus einem Tetrapyrrolringsystem (Porphyrin), welches ein zweiwertiges Eisenatom (Fe2+) komplexiert, an das sich wiederum ein Sauerstoffmolekül anlagern kann.

Die Biosynthese des Häms beginnt mit Glycin und Succinyl-CoA in den Mitochondrien, wo δ-Aminolävulinsäure entsteht, die ins Zytosol transportiert wird. Dort entsteht das aromatische Ringsystem, das wieder zurück in die Mitochondrien gelangt, wo das Molekül nach Decarboxylierung und Oxidationen mit einem Fe2+-Ion beladen wird.

Störungen der Hämgruppensynthese wie auch der Globinkettensynthese können zu schwerwiegenden Erkrankungen – Porphyrien bzw. Hämoglobinpathien – führen.

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Hämsynthese im Überblick

Aus Glycin und Succinyl-CoA entsteht durch Decarboxylierung und Freisetzung von Coenzym A δ-Aminolävulinsäure. Diese gelangt ins Zytosol, wo durch Kondensation Porphobilinogen gebildet wird, das bereits einen Pyrrolring enthält. In mehreren Schritten, darunter Desaminierungen und eine Zyklisierung, entsteht Coproporphyrinogen III (ein Tetrapyrrol). Dieses wird wieder in die Mitochondrien transportiert. Durch Decarboxylierung und Oxidationen wird Protoporphyrin gebildet, dessen Porphyrinring schließlich mit einem Fe2+-Ion beladen wird.

(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)

Alte Erythrozyten und damit auch das darin enthaltene Hämoglobin werden überwiegend in der Milz, der Leber und im Knochenmark abgebaut . Dabei wird im glatten endoplasmatischen Retikulum der Zellen des monozytären Makrophagensystems der Globinanteil in seine Aminosäureanteile zerlegt und die Hämgruppe in Bilirubin umgewandelt. Letzteres gelangt an Albumin gebunden zur Leber, wo es mit Glucuronsäure konjugiert wird. Das entstehende Bilirubinmono- bzw. -diglucuronid ist wasserlöslich und gelangt mit der Galle in den Darm. Dort wird ein Großteil umgewandelt in die orangegelben Gallenfarbstoffe Stercobilin bzw. Urobilin, die mit den Fäzes ausgeschieden werden. Eine Störung des Hämabbaus kann zu einer Hyperbilirubinämie (Ikterus, Gelbsucht) führen.

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    Aufbau und Funktion von Hämoglobin

    Aufbau des Hämoglobins

    Hämoglobin ist das wichtigste Hämprotein im Blut und macht einen großen Bestandteil des Erythrozyten aus: Ein Erythrozyt besteht zu 34% aus Hämoglobin, zu 65% aus Wasser sowie aus Enzymen und anderen Proteinen (1%).

    Hämoglobin ist ein tetrameres Protein (es besitzt demnach eine Quartärstruktur) und hat eine relative Molekülmasse von 64 000. Jede der 4 Proteinketten, die man auch als Globinketten bezeichnet und die von nicht kovalenten Kräften zusammengehalten werden, bindet eine Hämgruppe. Das häufigste Hämoglobin beim Erwachsenen ist das Hämoglobin A0 (HbA0, A für adult, früher HbA1; HbA1 steht heute für das glykierte Hämoglobin). Es besteht aus 2 α- und 2 β-Ketten (α2β2) mit jeweils 141 bzw. 146 Aminosäuren. Beide Ketten bestehen zum großen Teil aus α-helikalen Abschnitten. Ein weiteres Hämoglobin, das in geringer Menge beim Erwachsenen vorkommt, ist das Hämoglobin A2 (HbA2, α2δ2).

    Das fetale Hämoglobin (HbF, F für fetal) ist dagegen aus 2 α- und 2 γ-Ketten aufgebaut (α2γ2). HbF hat eine höhere Sauerstoffaffinität als HbA0 und kann diesem daher den Sauerstoff abnehmen, wodurch die Sauerstoffversorgung des Fötus verbessert wird. Außerdem ist die Bindung des Regulators 2,3-Bisphosphoglycerat an HbF schwächer als an HbA0, wodurch der Sauerstoffübertritt von den Erythrozyten der Mutter auf die des Fötus ebenfalls erleichtert wird. Während der ersten 3 Lebensmonate wird HbF gegen HbA ausgetauscht, während die Hämoglobinkonzentration kontinuierlich abnimmt (physiologische Trimenonreduktion).

    Die Gene, die die verschiedenen Globinketten codieren, bilden beim Menschen 2 Gruppen: die α- und die β-Gruppe. Die α-Gruppe enthält u.a. 2 identische Kopien des α-Gens und liegt auf Chromosom 16. Die β-Gruppe umfasst u.a. ein Gen für die β-Kette, 2 Gene für die beiden γ-Ketten wie auch eines für die δ-Kette und ist auf Chromosom 11 lokalisiert. In beiden Gruppen befinden sich außerdem Pseudogene.

    Hämoglobine des Menschen (nach Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2012)
    HämoglobinformZusammensetzungAnteil am Gesamthämoglobin
    Erwachsener

    HbA0

    α2β2

    97,5%

    HbA2

    α2δ2

    2,5%

    Fötus bzw. Neugeborenes

    HbF

    α2γ2

    beim Fötus 100%

    beim Neugeborenen noch ca. 75% (den Rest stellt HbA0)

    Image description
    Struktur von Hämoglobin A0

    Je 2 α- und 2 β-Untereinheiten bilden ein Tetramer. Jede Untereinheit kann ein Sauerstoffmolekül binden. Die Buchstaben A–H kennzeichnen die verschiedenen Helices einer Untereinheit.

    (Quelle: Königshoff, Brandenburger, Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2018)

    Funktionen des Hämoglobins

    Hämoglobin dient dem Gastransport im Blut. Außerdem ist es als Puffer von Bedeutung, da es H+-Ionen binden kann. Das Molekül ist wegen seiner zahlreichen Histidyl- und Sulfhydryl-(Thiol-, SH-)reste der wichtigste Nicht-Hydrogencarbonat-Puffer des Blutes. Mehr zu den wichtigsten Puffersystemen des Blutes findest du in der Physiologie.

    Hämgruppe (Häm)

    Jede Untereinheit des Hämoglobins bindet eine Hämgruppe. Die Hämgruppe (das Häm) ist die prosthetische Gruppe des Hämoglobins (und des Myoglobins). Die 4 Hämgruppen des Hämoglobins befinden sich relativ weit voneinander entfernt in den äußeren Bereichen des Moleküls. Sie sind nicht kovalent mit der jeweiligen Polypeptidkette verbunden.

    Grundbaustein der Hämgruppe ist ein Porphyrin, das aus 4 über Methinbrücken (-CH=) miteinander verbundenen Pyrrolringen besteht, die unterschiedliche Seitenketten tragen (Porphyrine sind zyklische Tetrapyrrole [Pyrrol siehe Bild]; das Porphyrin wird auch als Tetrapyrrolringsystem oder Porphyrinringsystem bezeichnet). Über die 4 Stickstoffatome in der Mitte des Ringsystems ist ein zweiwertiges Eisenatom (Fe2+) komplex gebunden (die Hämgruppe mit dem zentralen Eisenatom siehe Bild). An dieses Eisenatom kann sich ein Sauerstoffmolekül (O2) anlagern, ohne dass sich die Wertigkeit des Eisens ändert. Bei der Beladung der Hämgruppe mit O2 handelt es sich also nicht um eine Oxidation, sondern um eine Oxygenierung.

    Hämgruppen sind auch die prosthetische Gruppe u.a. von Cytochromen der Atmungskette, von Cytochrom-P450-Monooxygenasen, die an der Phase I der Biotransformation und auch an der Steroidhormonbiosynthese beteiligt sind. Die Hämbiosynthese findet daher in so gut wie allen Zellen des Körpers statt.

    Biosynthese des Häms

    Die Hämbiosynthese ist grundsätzlich in allen Körperzellen möglich, ein Großteil (85%) erfolgt jedoch in den Erythroblasten, der Rest hauptsächlich in den Hepatozyten. Wie der Harnstoffzyklus läuft die Biosynthese in 2 verschiedenen Kompartimenten der Zelle ab: Beginn und Ende der Hämbiosynthese finden im Mitochondrium statt, einige Zwischenschritte im Zytosol.

    1. δ-Aminolävulinatsynthase-Reaktion

    Die Porphyrinsynthese beginnt mit der Verknüpfung der Aminosäure Glycin und Succinyl-CoA – letzteres stammt aus dem Citratzyklus –, aus denen in den Mitochondrien pyridoxalphosphatabhängig und unter Freisetzung von Coenzym A α-Amino-β-ketoadipat entsteht. Dieses decarboxyliert spontan zu δ-Aminolävulinat (δ-Ala; 5-Aminolävulinat). Die δ-Aminolävulinatsynthase (5-Aminolävulinatsynthase) ist das Schlüsselenzym der Hämbiosynthese.

    2. Porphobilinogensynthase-Reaktion

    δ-Aminolävulinat gelangt aus den Mitochondrien ins Zytosol. Die Porphobilinogensynthase verbindet 2 Moleküle δ-Aminolävulinat zu einem Molekül Porphobilinogen. Das Porphobilinogen enthält bereits den Pyrrolring. Die Porphobilinogensynthase kann von Bleiionen gehemmt werden.

    3. Porphobilinogendesaminase- und Uroporphyrinogen-III-Synthase-Reaktion

    4 Moleküle Porphobilinogen werden noch im Zytosol zu Uroporphyrinogen III, das ein Tetrapyrrolringsystem besitzt, zusammengebaut. Dies erfolgt in 2 Schritten: Aus Porphobilinogen entsteht, katalysiert von der Porphobilinogendesaminase, unter Abspaltung von 4 Aminogruppen und Polyaddition das lineare Tetrapyrrol Prä-Uroporphyrinogen (Hydroxymethylbilan). Dieses wird anschließend von der Uroporphyrinogen-III-Synthase (Cosynthase) zyklisiert. Die Synthese eines Moleküls Uroporphyrinogen III benötigt also acht Glycin- und acht Succinyl-CoA-Moleküle.

    4. Uroporphyrinogendecarboxylase-Reaktion

    Die 4 Acetatreste von Uroporphyrinogen III werden von der Uroporphyrinogendecarboxylase zu Methylresten decarboxyliert. Es entsteht das farblose Coproporphyrinogen III, das mithilfe eines Transporters in die Mitochondrien zurückkehrt.

    5. Coproporphyrinogenoxidase-Reaktion

    Die beiden Propionatseitenketten an den Ringen A und B des Coproporphyrinogens werden von der Coproporphyrinogenoxidase zu Vinylresten decarboxyliert und dehydriert. Produkt der Reaktion ist Protoporphyrinogen IX. An diesem Punkt sind die Seitenketten des späteren Häms fertiggestellt; die beiden abschließenden Reaktionen modifizierten nur noch das Innere des Tetrapyrrolrings.

    6. Protoporphyrinogenoxidase-Reaktion

    Durch Dehydrierungsreaktionen im Tetrapyrrolringsystem mithilfe von molekularem Sauerstoff und FAD als Cofaktor entsteht aus Protoporphyrinogen IX der direkte Hämvorläufer Protoporphyrin IX. Das ausgedehnte System konjugierter Doppelbindungen verleiht dem Protoporphyrin IX wie auch dem Hämoglobin die Fähigkeit, kurzwellige Anteile des sichtbaren Lichts zu absorbieren, wodurch die intensiv rote Farbe entsteht.

    7. Ferrochelatase-Reaktion

    Im letzten Schritt wird von der Ferrochelatase das zweiwertige Eisen in das Protoporphyrin eingefügt.

    4 Hämgruppen werden nun mit 4 Globinmolekülen zum tetrameren Molekül Hämoglobin verbunden.

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    Hämbiosynthese

    (Quelle: Königshoff, Brandenburger, Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2018)
    Regulation der Hämbiosynthese

    Die Hämbiosynthese wird auf der Stufe der δ-Aminolävulinatsynthase reguliert. Häm selbst hemmt das Enzym als Endprodukt über einen negativen Feedback-Mechanismus allosterisch (Endprodukthemmung). Zudem kann Häm die Synthese der δ-Aminolävulinatsynthase unterdrücken.

    Blick in die Klinik:
    Porphyrien

    Porphyrien beruhen auf einer Synthesestörung des Hämanteils des Hämoglobins (im Gegensatz zu den Hämoglobinopathien, s.u.). Meist liegt diesen Erkrankungen ein angeborener Enzymdefekt zugrunde. Bei einer Porphyrie wird das Endprodukt Häm vermindert gebildet. Je nach Enzymdefekt akkumulieren unterschiedliche Porphyrinvorstufen oder auch Porphyrine, die in die Gewebe übertreten. Im häufig dunkel gefärbten Urin und/oder im Stuhl findet man ein typisches Profil an Metaboliten. Im Serum sind häufig die Aktivitäten typischer Leberenzyme erhöht.

    Eine häufig vorkommende akute Form ist die akute intermittierende Porphyrie mit einem Mangel an Porphobilinogendesaminase, die sich, wie es für die akuten Formen typisch ist, in kolikartigen Bauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen äußert.

    Nicht akute Porphyrien manifestieren sich dagegen in einer erhöhten Photosensibilität der Haut (Photodermatose) mit Blasenbildung, teilweise mit Tumorentwicklung. Diese erhöhte Lichtempfindlichkeit geht auf eine Anreicherung der Porphyrine in der Haut und ihre lichtabsorbierenden Eigenschaften zurück, die zur Bildung von zellschädigenden Sauerstoffradikalen führt. Eine häufig vorkommende chronische Form ist die Porphyria cutanea tarda mit einem Mangel an Uroporphyrinogendecarboxylase.

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    Photodermatose bei Porphyria cutanea tarda

    (Quelle: Moll, Duale Reihe Dermatologie, Thieme, 2016)
    Blick in die Klinik:
    Hämoglobinopathien

    Unter Hämoglobinpathien versteht man Synthesestörungen des Globinanteils des Hämoglobins durch Veränderungen in Globingenen (im Gegensatz zu den Porphyrien, s.o.). Die meisten dieser Erkrankungen verkürzen die Lebensdauer der Erythrozyten deutlich und führen so zu einer Anämie mit einer drastisch eingeschränkten Sauerstoffversorgung der peripheren Gewebe. Zu den Hämoglobinopathien gehören die Bildung von anormalen Hämoglobinen, wie bei der Sichelzellanämie, und auch eine quantitative Synthesestörung, wie bei den Thalassämien.

    Sichelzellanämie

    Anormal aufgebaute Hämoglobine können zu verschiedenen Krankheitsbildern führen. Zurzeit kennt man ca. 300 anormale Hämoglobine, von denen sich die meisten in einer einzelnen Aminosäure vom normalen Hämoglobin unterscheiden. Die Sichelzellanämie, eine Erbkrankheit, ist am weitesten verbreitet.

    Bei der Sichelzellanämie ist das Gen der β-Kette des Hämoglobins (βA) durch eine Punktmutation verändert. Das mutierte Gen (βS), das ein Allel von βA darstellt, codiert anstelle des polaren Glutamats an Position 6 ein unpolares Valin. Das mutierte Hämoglobin wird als HbS bezeichnet. Die Sauerstoffbindung an HbS ist nicht beeinträchtigt. Durch die Mutation entsteht auf dem Hämoglobintetramer jedoch ein hydrophober Bereich, sodass die HbS-Moleküle nach Sauerstoffabgabe zu Fibrillen polymerisieren und die Erythrozyten eine Sichelform annehmen. Dadurch verstopfen sie die kleinen Gefäße und stören so die Mikrozirkulation. Es kommt zu Organinfarkten und einer Anämie durch vermehrten Erythrozytenabbau. Zur Diagnose der Sichelzellanämie mithilfe einer RFLP-Analyse findest du hier mehr.

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    Sichelzellanämie

    Oben: Bei der Sichelzellanämie ist das Gen der β-Kette des Hämoglobins (βA) durch eine Punktmutation verändert. Unten: Blutausstriche im Vergleich.

    (Quelle: Bild oben: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2012; Bild unten links: Theml, Diem, Haferlach, Taschenatlas der Hämatologie, Thieme 2002; Bild unten rechts: Greten, Rinninger, Greten, Innere Medizin, Thieme, 2010)

    Die Sichelzellanämie kommt vor allem im tropischen Afrika vor, wo Malariaerreger verbreitet sind. In einigen Gebieten sind 1/3 der Einwohner heterozygote Anlagenträger. Während homozygote Träger schon im Säuglingsalter eine hämolytische Anämie aufweisen, sind heterozygote Träger klinisch unauffällig. Gegenüber Malaria sind sie sogar besser geschützt als die übrige Bevölkerung, die kein mutiertes Allel besitzt, weil sich die Erreger in Sichelerythrozyten nur schlecht vermehren können. Daher haben diese Menschen in Malariagebieten einen Selektionsvorteil.

    Thalassämien

    Thalassämien sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, denen eine Störung der Synthese einer der beiden Hämoglobinketten gemeinsam ist. Da Thalassämien in der Mittelmeerregion häufig anzutreffen sind, werden sie auch als Mittelmeeranämien bezeichnet.

    Ursachen können Genmutationen in regulatorischen Abschnitten der Globinkettengene oder Leserastermutationen sein. Je nach betroffener Kette unterscheidet man hauptsächlich die α- und die β-Thalassämie. In Griechenland und Italien sind die β-Thalassämien besonders häufig. Bei ihnen sind Nucleotide im Gen der β-Kette substituiert oder deletiert. In Südostasien ist die α-Thalassämie verbreiteter. Sie entsteht meist durch eine Gendeletion. Da es 2 Gene für β-Ketten aber 4 Gene für α-Ketten gibt, führen Mutationen in ersteren häufiger zu klinischen Symptomen.

    Man unterscheidet verschiedene Schweregrade der Ausprägung:

    • Thalassaemia major: bei homozygoten Trägern; entwickelt sich in den ersten Lebensmonaten, wenn HbF gegen HbA0 ausgetauscht wird; Kinder leiden an schwerer Anämie, zeigen eine verzögerte Entwicklung und sterben in der Regel, bevor sie das Erwachsenenalter erreichen

    • Thalassaemia intermedia: Folge ist häufig nur eine leichtgradige Anämie

    • Thalassaemia minor: Träger sind heterozygot; verläuft meist symptomlos

    Abbau des Häms

    Alte Erythrozyten werden von den Zellen des monozytären Phagozytensystems (MPS) in Milz, Knochenmark und Leber phagozytiert und abgebaut. Intrazellulär findet der Hämabbau im glatten endoplasmatischen Retikulum statt. Hämoglobin wird aber auch bei einer Hämolyse außerhalb von Milz, Knochenmark und Leber freigesetzt. Solches Hämoglobin im Plasma bildet mit Haptoglobin, ein Glykoprotein des Blutplasmas, einen Komplex, der von der Leber aufgenommen wird. Dort wird das Hämoglobin zunächst in den Globin- und den Hämanteil zerlegt. Das Globin wird vollständig zu den entsprechenden Aminosäuren und das Häm zu Bilirubin abgebaut.

    Lerntipp:
    Hämabbau

    Der Hämabbau ist ein beliebtes Prüfungsthema, es werden viele Fragen dazu gestellt. Schaue dir genau an, welche Produkte (insbesondere direktes und indirektes Bilirubin) wo entstehen und welche Eigenschaften sie haben.

    Das rote Häm wird im ersten Schritt seines Abbaus, bei dem eine O2- und NADPH + H+-abhängige Hämoxygenase den Tetrapyrrolring des Häms an einer Methinbrücke öffnet, in grünes Biliverdin umgewandelt. Von den möglicherweise beim Menschen vorkommenden drei Hämoxygenase-Isoformen, die unterschiedliche Gewebsverteilung zeigen, hat die Hämoxygenase-1, die in hohem Anteil in den Zellen des monozytären Phagozytensystems (MPS) vorkommt, einen überwiegenden Anteil am Hämabbau. Bei der am ER stattfindenden Hämoxygenasereaktion werden neben Biliverdin Eisenionen und Kohlenmonoxid (CO) freigesetzt. Das Eisen steht für den Einbau in ein neues Hämmolekül zur Verfügung, das CO wird entweder ausgeatmet oder aber dient als Botenstoff ähnlich wie NO (Stickstoffmonoxid), der u.a vaskuläre Funktionen reguliert.

    Die Biliverdinreduktase reduziert Biliverdin mit NADPH + H+ als Elektronendonator zum orangegelben Bilirubin, das 2 Propionylgruppen mit 2 Carboxylresten enthält und nur schwer wasserlöslich ist. Die sich ändernde Farbe eines „blauen Fleckens“ (Hämatom) macht diese Abbaureaktion deutlich:

    • Zuerst erscheint ein blauer Fleck durch „normales“ Desoxy- und Methämoglobin blau,

    • anschließend verfärbt sich der Fleck grün (Biliverdin) und

    • schließlich erscheint er orangegelb (Bilirubin).

    Das Bilirubin (unkonjugiertes, indirektes Bilirubin) verlässt das MPS und wird an Albumin gebunden zur Leber transportiert.

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    Abbau von Häm über Biliverdin zum Bilirubin

    (Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)

    Das indirekte Bilirubin wird in die Leber aufgenommen, wo die wasserlösliche Ausscheidungsform des Bilirubins durch Glucuronidierung gebildet wird. Dazu werden ein oder beide freien Carboxylreste der Propionylgruppen des Bilirubins von der Glucuronosyltransferase mit Glucuronsäure verestert (konjugiert). Die Glucuronsäure wird von UDP-Glucuronsäure bereitgestellt. Das Produkt dieser Glucuronidierung ist Bilirubinmono- bzw. -diglucuronid (Mono- bzw. Diglucuronidylbilirubin; konjugiertes, direktes Bilirubin), das eine höhere Wasserlöslichkeit als Bilirubin besitzt und ausscheidungsfähig ist. Die Bezeichnung „direktes Bilirubin“  geht darauf zurück, dass das konjugierte Bilirubin mit diazotierter Sulfanilsäure unter Bildung von purpurfarbenem Azobilirubin reagiert, und somit gemessen werden kann. Das direkte Bilirubin wird in einem aktiven Transportprozess in die Galle abgegeben. Da dieser Transport gegen einen Konzentrationsgradienten stattfindet, ist er der geschwindigkeitsbestimmende Schritt des gesamten Hämabbaus. Das direkte Bilirubin gelangt über die Galle in den Darm und wird dort weiter zu den farblosen Produkten Stercobilinogen und Urobilinogen abgebaut. Diese gelangen zu 20% über den enterohepatischen Kreislauf zurück zur Leber. Die restlichen 80% werden weiter in die orangebraunen Gallenfarbstoffe Stercobilin bzw. Urobilin umgewandelt, die den Fäzes ihre orangebraune Farbe geben. Bei starkem Hämabbau wird Urobilinogen zudem über die Niere ausgeschieden. Bei Kontakt mit Sauerstoff oxidiert das Urobilinogen zu Urobilin und färbt dadurch den Urin dunkel.

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    Übersicht über den Hämabbau

    (Quelle: Königshoff, Brandenburger, Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2018)
    Blick in die Klinik:
    Hyperbilirubinämie (Ikterus, Gelbsucht)

    Im Organismus entstehen täglich ca. 250 mg Bilirubin, ca. 85% stammen aus dem Abbau von Hämoglobin. Der Normwert für Bilirubin im Plasma beträgt 1 mg dl–1 Gesamtbilirubin. Ein erhöhter Bilirubinspiegel im Blutplasma über 2 mg dl–1 führt zur Gelbfärbung der Skleren und der Haut (Gelbsucht, Ikterus) (Gelbfärbung der Skleren siehe Bild). Die Gelbsucht kann verschiedene Ursachen haben:

    • hämolytische Anämie: Die Ursache des Ikterus liegt in einer Hämolyse mit vermehrtem Hämabbau, also vor der Aufnahme des Bilirubins durch die Leber. Die Folge ist ein prähepatischer (hämolytischer) Ikterus, bei dem vor allem die Blutplasmakonzentration des indirekten (unkonjugierten) Bilirubins erhöht ist, da die Konjugationskapazität der Leber überschritten wird.

    • Lebererkrankungen wie Hepatitis, Leberzirrhose: Durch den eingeschränkten Bilirubinabbau führen sie zu einem intrahepatischen Ikterus. Die Blutplasmakonzentration des indirekten oder auch des direkten Bilirubins kann erhöht sein.

    • Verschluss des Ductus choledochus: Durch den Verschluss ist der Abfluss von Gallenflüssigkeit gestört (z.B. bei einem Gallengangsstein). Folge ist ein posthepatischer Ikterus, bei dem die Blutplasmakonzentration des direkten Bilirubins erhöht ist.

    Der Neugeborenenikterus ist eine Sonderform des Ikterus. Er tritt bei fast allen Neugeborenen zwischen dem 2. und 6. Lebenstag auf, weil physiologisch vermehrt Bilirubin anfällt und die UDP-Glucuronosyltransferase noch nicht voll aktiv ist. Dadurch wird Bilirubin vorübergehend nur unzureichend konjugiert und die Bilirubinkonzentration ist erhöht (eine Konzentration von 15 mg dl–1 gilt als physiologisch). Steigt die Konzentration auf über 20 mg dl–1 an, kann sich Bilirubin im Gehirn ablagern. Prophylaktisch wird eine Phototherapie mit blauem Licht durchgeführt, wodurch ein besser wasserlösliches Isomer des Bilirubins gebildet wird.

    Beim Morbus Meulengracht ist die Aktivität der UDP-Glucuronyltransferase leicht vermindert. Die angeborene Erkrankung ist i.d.R. harmlos.

    Auch bei Mutationen des Gens für die UDP-Glucuronyltransferase kommt es zum Ikterus bei sonst unauffälligen Laborwerten.

    Porphyrinsynthese

    Mithilfe dieses Videos (deutsche Sprache) kannst du den Aufbau des Hämglobins und die Porphyrinsynthese noch einmal wiederholen. (Lernvideo zum Endspurt-Biochemieposter).

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    Aromatische Fünfring-Heterozyklen

    Mesomere Grenzformeln aromatischer Fünfring-Heterozyklen (hier Pyrrol).

    (Quelle: Breitmaier, Jung, Organische Chemie, Thieme, 2012)
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    Porphyrine

    Porphyrine bestehen aus 4 Pyrrolringen. Porphin ist der einfachste Vertreter der Porphyrine. Häme sind eisenhaltige Porphyrinkomplexe; sie kommen u.a. im Hämoglobin und Cytochrom c vor.

    (Quelle: Boeck, Kurzlehrbuch Chemie, Thieme, 2018)
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    Ikterus

    Gelbfärbung der Konjunktiven bei einer Plasmabilirubinkonzentration über 6,5 mg/dl.

    (Quelle: Füeßl und Middeke, Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung, Thieme, 2014)
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      IMPP-Fakten im Überblick

      ExamenF15Hämoglobin besitzt eine Quartärstruktur.

      ExamenH14Fetales Hämoglobin besteht aus 2 α- und 2 γ-Ketten (α2γ2).

      ExamenF21Die Hämoglobinkonzentration nimmt postnatal kontinuierlich ab (physiologische Trimenonreduktion).

      ExamenF22H12F08Ausgangsprodukte der Hämbiosynthese ist die Aminosäure Glycin und Succinyl-CoA.

      ExamenH11Die δ-Aminolävulinatsynthase benötigt Pyridoxalphosphat (PALP).

      ExamenH15Bei der von der δ-Aminolävulinatsynthase katalysierten Reaktion wird Coenzym A freigesetzt.

      ExamenH13Die δ-Aminolävulinatsynthase ist das Schlüsselenzym der Hämbiosynthese.

      ExamenH14Im Zytosol werden 4 Moleküle Porphobilinogen zu Uroporphyrinogen III zusammengesetzt.

      ExamenF15F10F09Die Sichelzellanämie geht auf eine Punktmutation im Gen der β-Kette des Hämoglobins zurück.

      ExamenF17F09Im Blutplasma wird Hämoglobin an Haptoglobin gebunden.

      ExamenF18F09Die Hämoxygenase öffnet den Tetrapyrrolring des Häms.

      ExamenH17Für die Umwandlung von Häm in Biliverdin wird O2 und NADPH benötigt.

      ExamenF16F12Beim Hämabbau entsteht neben Biliverdin und Eisenionen auch Kohlenmonoxid (CO).

      ExamenF18H16H11Bei der von der Hämoxygenase katalysierten Reaktion wird CO frei.

      ExamenF13Biliverdin wird durch die Biliverdinreduktase NADPH-abhängig zum orangefarbenen Bilirubin reduziert.

      ExamenH10Ein blauer Fleck entwickelt sich analog zu den Hämoglobinabbauprodukten: erst blau (Desoxy- und Methämoglobin), dann grün (Biliverdin), dann orangegelb (Bilirubin).

      ExamenH22H12F08In der Leber entsteht aus Bilirubin durch Glucuronidierung eine wasserlösliche Verbindung, die ausgeschieden werden kann.

      ExamenH15H09Die Ausscheidungsform des Bilirubins entsteht durch Konjugation eines oder beider Carboxylreste der Propionylgruppen mit Glucuronsäure.

      ExamenF15Für die Konjugation von Bilirubin mit Glucuronsäuren wird typischerweise UDP-Glucuronsäure verwendet.

      ExamenF21Ist die Leber schwer geschädigt und kann Bilirubin nicht mehr in seine wasserlösliche Form überführt werden, kann es zum Ikterus mit erhöhten Konzentrationen von indirektem Bilirubin führen.

      ExamenF14Der Verschluss des Gallengangs kann zu einem Ikterus führen (posthepatischer Ikterus). Dabei färbt sich die Haut des Betroffenen gelb.

      ExamenH22H20Bei Mutationen des Gens für die UDP-Glucuronyltransferase kommt es zum Ikterus bei sonst unauffälligen Laborwerten.

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      Hämoglobin: Synthese und Abbau

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      zuletzt bearbeitet: 14.03.2023
      Fachlicher Beirat: Prof. Dr. med. Thomas Kietzmann, 03.08.2022
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