Allgemeines
Für die Aufrechterhaltung von Lebensvorgängen ist eine ausreichende Versorgung mit Proteinen unerlässlich, da sie im Körper zahlreiche wichtige Funktionen übernehmen. Für die Proteinsynthese benötigt der Körper Aminosäuren. Da diese nicht gespeichert werden können, werden sie ständig neu synthetisiert (mit Ausnahme der essenziellen Aminosäuren), aus Nahrungsproteinen gewonnen oder stammen aus dem Abbau von körpereigenen Proteinen.
Neben ihrer Funktion als Grundbausteine von Proteinen sind Aminosäuren bzw. ihre Kohlenstoffgerüste wichtige Energielieferanten und können in Pyruvat, Acetyl-CoA oder auch Metaboliten des Citratzyklus umgewandelt werden. Außerdem sind sie Vorstufen der Gluconeogenese und von Biomolekülen wie biogenen Aminen. Die abgetrennten Aminogruppen können in Zellen der Synthese stickstoffhaltiger Verbindungen dienen. Überschüssiger Stickstoff wird zur Synthese von Alanin (insbesondere in Muskelzellen) und Glutamin genutzt, in dieser Form in Blut freigesetzt und hauptsächlich zur Leber, aber auch zur Niere und zum Darm transportiert. Dort wird das beim Abbau der beiden Aminosäuren entstehende Ammoniak (NH3) im Harnstoffzyklus zu Harnstoff umgesetzt, dem Endprodukt des Aminosäurestoffwechsels.
Proteolyse
Die meisten freien Aminosäuren des menschlichen Körpers werden nicht neu synthetisiert, sondern stammen aus dem Abbau von Proteinen und Peptiden, Proteolyse genannt. Dabei kann es sich um Aminosäuren aus abgebauten körpereigenen Proteinen oder zersetzte Nahrungsproteine handeln. Der Proteinabbau aus der Nahrung findet (u.a. durch Pepsin) in Magen und Darm statt, sodass die Peptide vom Darmepithelien aufgenommen und weiter in Aminosäuren zersetzt werden. Wichtige Elemente des intrazellulären Proteinabbaus sind die Lysosomen, die viele verschiedene proteolytische Enzyme enthalten und an der Wiederverwertung von Aminosäuren in Membranproteinen, extrazellulären Proteinen und Proteinen mit langer Halbwertszeit beteiligt sind. Ein zweites wichtiges System, das Proteine in Peptide zerlegt, sind die Proteasomen.
Ubiquitin-Proteasom-System
Proteasomen (genauer 26S-Proteasomen; S steht für Svedberg und ist die Maßeinheit für den Sedimentationskoeffizienten) sind frei im Zytosol und im Zellkern vorkommende Proteinkomplexe aus einem fassartigen 20S-Kernkomplex (Core) und 2 regulatorischen 19S-Partikeln an jedem Ende des Fasses. Von den zahlreichen Untereinheiten des Kernkomplexes besitzen einige proteolytische Aktivität mit unterschiedlicher Substratspezifität. Von den Untereinheiten der regulatorischen Partikel übernehmen einige die Erkennung und Bindung von ubiquitinierten Proteinen, andere entfalten oder deubiquitinieren die Proteine und sind an ihrer Translokation in den Kernkomplex beteiligt. Proteasomen katalysieren die Spaltung von Peptidbindungen vor allem hinter sauren, basischen und hydrophoben Aminosäuren.

Aufbau eines Proteasoms
Der 20S-Kernkomplex ist eine fassartige, hohle Struktur, die sich aus 4 übereinandergelagerten Ringen zusammensetzt und in der das Zielprotein abgebaut wird. Die äußeren Ringe bestehen aus 7 verschiedenen α-Untereinheiten, die inneren Ringe aus jeweils 7 verschiedenen β-Untereinheiten. In jedem β-Ring besitzen 3 der 7 Untereinheiten proteolytische Aktivität. Die regulatorischen 19S-Partikel sitzen jeweils wie eine Kappe auf den beiden Seiten des 20S-Kernkomplexes.
(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2012)Proteasomen (s.u.) übernehmen den ATP-abhängigen Abbau von:
falsch gefalteten Proteinen: Proteine, die im Verlauf ihrer Synthese im endoplasmatischen Retikulum fehlgefaltet werden; diese werden von Chaperonen gebunden und gelangen zum Abbau ins Zytosol
nicht funktionellen oder gealterten Proteinen: Proteine, die durch den Falscheinbau einer oder mehrerer Aminosäuen aufgrund von Mutationen oder durch Schäden, die sich im Verlauf ihrer Aktivität in der Zelle angehäuft haben, nicht (mehr) funktionsfähig sind
Proteinen mit kurzer Halbwertszeit: z.B. regulatorische Proteine, die bei der Kontrolle des Zellzyklus eine Rolle spielen, oder auch Enzyme mit Schlüsselpositionen in Stoffwechselwegen
viralen Proteinen: im Zuge der Antigenprozessierung werden virale Proteine in speziellen Proteasomen, den Immunproteasomen, gespalten, zum ER transportiert und dort an MHC-I-Komplexe gebunden; mehr zu diesem endogenen Weg der Antigenprozessierung findest du hier
Durch die Proteolyse wird verhindert, dass sich diese Proteine in den Zellen anreichern. Außerdem können die enthaltenen Aminosäuren wiederverwendet werden.
Vor ihrem Abbau im Proteasom müssen die abzubauenden Proteine mit Polyubiquitin (eine Kette aus Ubiquitinmolekülen) markiert werden. Ubiquitin ist ein kleines, bei allen Eukaryoten sehr stark konserviertes, weit (ubiquitär) verbreitetes und gegenüber extremen pH-Werten und hoher Temperatur sehr widerstandfähiges Polypeptid aus 76 Aminosäuren, das die Zielproteine letztlich zum Proteasom dirigiert. Ubiquitin wird ATP-abhängig aktiviert und dann kovalent über eine Amidbindung an einen Lysinrest des abzubauenden Proteins gebunden, sodass dieses vom Proteasom als Substrat erkannt wird. Die Amidbindung wird zwischen der Carboxygruppe des carboxyterminalen Glycinrestes des Ubiquitins und der ε-Aminogruppe eines Lysinrestes im Zielprotein ausgebildet. Bei dieser Amidbindung handelt es sich daher, genauer gesagt, um eine Isopeptidbindung, da im Gegensatz zur normalen Peptidbindung nicht die α-Aminogruppe der Aminosäure an der Bindung beteiligt ist.
Katalysiert wird die Ubiquitinierung von 3 Enzymen – dem ubiquitinaktivierenden (E1), dem ubiquitinkonjugierenden (E2) und dem ubiquitinligierenden (E3) Enzym –, von denen es jeweils mehrere Vertreter gibt. Zunächst wird Ubiquitin über eine Thioesterbindung unter Hydrolyse von ATP zu AMP und PPi an E1 gebunden und auf diese Weise aktiviert. Anschließend wird es auf eine SH-Gruppe von E2 übertragen. Im letzten Schritt bildet E2 einen Komplex mit E3 (Ubiquitinligase, E3-Ligase), das dann die Bindung von Ubiquitin an das Zielprotein katalysiert. Für die Polyubiquitinierung werden in mehreren Zyklen dieser Reaktionsfolge Ubiquitinmoleküle aneinandergehängt.

Ubiquitinierung
Die Ubiquitinierung ist ein dreistufiger Prozess, an dem 3 Enzyme (E1–3) beteiligt sind. E1 aktiviert Ubiquitin unter Spaltung von ATP. Anschließend wird Ubiquitin auf E2 übertragen. E3 ist eine Ligase. Sie stellt die Isopeptidbindung zwischen der Carboxygruppe des carboxyterminalen Glycinrestes des Ubiquitins und der ε-Aminogruppe eines Lysins im Zielprotein her.
Abhängig von der Zahl der angehefteten Ubiquitinmoleküle (nur ein Molekül, mehrere einzelne Moleküle, Ketten unterschiedlicher Länge oder verzweigte Ketten) und der Position der Lysinreste, an die sie gebunden sind, dient Ubiquitin nicht nur als Signal für den Abbau eines Proteins im Proteasom, sondern dirigiert Zielproteine auch zu den Lysosomen oder anderen subzellulären Orten. Zudem kann es u.a. über die Histonmodifikation der Transkriptionsregulation dienen, beeinflusst die Aktivität von Komponenten der Signaltransduktion oder reguliert andere Protein-Protein-Wechselwirkungen. Statt eines einfachen Abbausignals scheint sich hinter der vielfältigen Ubiquitinierung von Proteinen ein Code zu verbergen, über den zurzeit noch nicht viel bekannt ist.
Proteasen
Enzyme, die Proteine abbauen, nennt man proteolytische Enzyme oder Proteasen. Proteasen kommen sowohl im Extra- als auch im Intrazellularraum und auch in Mitochondrien und im endoplasmatischen Retikulum (ER) vor. Sie sind beispielsweise beteiligt an:
der Blutgerinnung und der Fibrinolyse
der Abwehr von Krankheitsserregern durch das Komplementsystem, indem Komplementfaktoren aktiviert werden
der Bildung von Peptidhormonen aus ihren Vorstufen (Prohormonen)
der Entfernung von Signalpeptiden im rauen ER
der Aktivierung von Caspasen der Effektor-Caspase-Kaskade und damit der Apoptose
dem Abbau von fehlgefalteten Proteinen
dem Abbau von Nahrungsproteinen in Magen und Darm
Je nachdem, ob die Proteasen Proteine innerhalb der Aminosäurekette spalten oder am Ende, unterscheidet man:
Proteinasen (auch Endopeptidasen genannt): Sie spalten Proteine innerhalb der Aminosäurekette. Meist erkennen sie spezifische Sequenzabschnitte innerhalb eines Proteins, an denen sie angreifen können, und spalten dort.
Exoproteasen (auch Exopeptidasen genannt): Sie spalten einzelne Aminosäuren von den Enden des Proteins ab. Im Gegensatz zu den Proteinasen zerlegen sie vor allem kleinere Peptide und keine Proteine. Man unterscheidet:
Im katalytischen Zentrum von Proteasen findet man katalytische Di- oder Triaden. Es handelt sich dabei um Anordnungen von 2 oder 3 an der Katalyse beteiligte Aminosäuren. Je nach reaktiver Gruppe im aktiven Zentrum des Enzyms lassen sich Proteasen auch in folgende 4 Klassen einteilen:
Serinproteasen (s.u.): Im aktiven Zentrum befinden sich Serin, Histidin und Aspartat (katalytische Triade). Sie bilden kovalente Enzym-Substrat-Komplexe. Beispiele sind Chymotrypsin, Trypsin, Thrombin, Plasmin.
Cysteinproteasen: Im aktiven Zentrum befindet sich Cystein und Histidin (katalytische Diade). Offenbar wird kein weiteres Nucleophil zur Aktivierung des Cysteins benötigt, da das Schwefelatom des Cysteins von Natur aus bereits ein starkes Nucleophil ist. Das Cystein übernimmt in den Cysteinproteasen eine ähnliche Funktion wie das Serin in den Serinproteasen. Cysteinproteasen bilden ebenfalls kovalente Enzym-Substrat-Komplexe. Beispiele sind Caspasen, Cathepsin B.
Metalloproteasen (s.u.): Durch ein Metallion (oft Zn2+, Mn2+) im aktiven Zentrum kann Wasser die Peptidbindung direkt angreifen. Beispiele sind Kollagenase, Carboxypeptidase A.
Aspartatproteasen: Durch 2 Aspartatreste im aktiven Zentrum kann Wasser die Peptidbindung direkt angreifen. Aspartatproteasen spalten bevorzugt zwischen Phenylalanin- und Prolinresten. Beispiele sind Pepsin, Cathepsin D, HIV-Protease. Inhibitoren der HIV-Protease bilden als Übergangszustandsanaloga zwar keine kovalenten aber doch sehr stabile Komplexe mit dem Enzym. Sie weisen als strukturelle Gemeinsamkeiten eine Hauptkette mit einer Hydroxygruppe neben einer Verzweigung mit einer Benzylgruppe auf.
Serinproteasen enthalten im aktiven Zentrum eine Triade aus Serin, Histidin und Aspartat, die alle an der katalytischen Umsetzung des Substrats beteiligt sind. Der Serinrest bildet eine kovalente Bindung zwischen dem Enzym und dem Substrat, indem er das C-Atom der Carbonylgruppe der zu spaltenden Peptidbindung mit dem O-Atom seiner OH-Gruppe nucleophil angreift.
Bei der Reaktion wird zunächst das Proton der OH-Gruppe der Serinseitenkette auf den Imidazolring des Histidins übertragen (1). Zurück bleibt ein stark nucleophiles, negativ geladenes Sauerstoffatom, das nun die Carbonylgruppe der Peptidbindung angreift und das C-Atom bindet (2). Es entsteht ein kurzlebiges, tetraederförmiges Zwischenprodukt, von dem der erste Abschnitt des zu spaltenden Peptids nach Protonierung durch den Imidalzolring des Histidins freigesetzt wird (3). Das restliche Peptid ist noch an das Enzym gebunden (Enzym-Substrat-Komplex). In den folgenden Schritten löst sich auch das restliche Peptid vom Enzym und das Enzym wird regeneriert: Ein hinzutretendes Wassermolekül wird deprotoniert, wodurch ein nucleophiles OH–-Ion entsteht, welches das C-Atom der ehemaligen Peptidbindung angreift (4). Die Carbonylgruppe (-CO) wird zur Carboxygruppe (-COOH) und der zweite Peptidabschnitt löst sich von dem nun regenerierten Enzym (5).

Reaktionsmechanismus von Serinproteasen
Diese Reaktion ist eine Kombination aus Säure-Basen-Katalyse und der Bildung eines kovalenten Intermediats. Die Basenfunktion übernimmt ein Histidinrest, die kovalente Bindung erfolgt an ein benachbartes Serin. Es entsteht ein tetraedrisches Übergangsprodukt. Die Nummerierung der Aminosäureseitenketten entspricht der von Trypsin.
(Quelle: Püschel et al., Taschenlehrbuch Biochemie, Thieme, 2019)Gehemmt werden kann eine Serinprotease z.B. durch Substanzen, die kovalent an den Serinrest binden.
Metalloproteasen besitzen im aktiven Zentrum ein zweiwertiges Metallion wie Zn2+, oder Mn2+, das für den Reaktionsmechanismus eine wichtige Rolle spielt. Die Carboxypeptidase trägt beispielsweise ein Zinkion, das von 3 Aminosäureresten – 2 Histidinresten und 1 Glutamatrest – fixiert wird. An das Zinkion lagert sich ein Wassermolekül, das dadurch polarisiert wird und ein Proton abgibt. Das zinkgebundene OH–-Ion greift nun das C-Atom der zu hydrolysierenden Peptidbindung an. Die Carbonylgruppe (-CO) wird zur Carboxygruppe (-COOH) und die Peptidbindung wird gespalten.

Reaktionsmechanismus von Metalloproteasen
An das Zinkion, das von 2 Histidinresten und einem Glutamatrest fixiert wird, lagert sich ein Wassermolekül, das dadurch polarisiert wird und ein Proton abgibt. Das zinkgebundene OH–-Ion greift nun das C-Atom der zu hydrolysierenden Peptidbindung an. Diese wird daraufhin gespalten.
(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)Einleitende Reaktionen des Aminosäureabbaus
Nach der Proteolyse werden die einzelnen Aminosäuren abgebaut. Die 3 wichtigsten einleitenden Reaktionen des Aminosäureabbaus sind die Transaminierung, die Desaminierung und die Decarboxylierung.
Transaminierung
Transaminierungen werden von Transaminasen (Aminotransferasen) katalysiert. Diese Enzyme benötigen als prosthetische Gruppe Pyridoxalphosphat (PALP), das sich von Vitamin B6 (Pyridoxin) ableitet (Umwandlung siehe Bild). Transaminasen übertragen die Aminogruppe (NH2) einer Aminosäure, die während der Reaktion vorübergehend kovalent an Pyridoxalphosphat gebunden wird, auf eine α-Ketosäure. Dabei spielt die zwischen PALP und Aminosäure gebildete Schiff-Base eine wichtige Rolle, da sie die Aminosäure destabilisiert. Durch die Destabilisierung wird eine α-Ketosäure freigesetzt und das Zwischenprodukt Pyridoxaminphosphat überträgt die Aminogruppe auf eine andere als die freigesetzte α-Ketosäure, sodass eine neue Aminosäure entsteht.

PALP-abhängige Transaminierung
Oben: Zunächst wird die Aminosäure an PALP gebunden: Die Aldehydgruppe von PALP bildet mit der ε-Aminogruppe eines Lysinrests im aktiven Zentrum der Transaminase (rot) eine interne Schiff-Base (Aldiminbrücke) aus, die von einer externen Schiff-Base mit dem Aminosäuresubstrat ersetzt wird. Unten: Nun folgt die Ablösung der α-Ketosäure: Durch die Schiff-Base wird die Aminosäure destabilisiert, die Doppelbindung verschiebt sich und aus dem Aldimin entsteht ein Ketimin. Durch Wasseranlagerung an die Doppelbindung wird die α-Ketosäure abgespalten. PALP wird dabei in PAMP (Pyridoxaminphosphat) umgewandelt. PAMP überträgt die Aminogruppe anschließend auf eine andere α-Ketosäure, sodass eine Aminosäure entsteht und PALP regeneriert wird (nicht dargestellt).
(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)Einige Transaminasen sind spezifisch für eine Aminosäure, andere können mit mehreren Aminosäuren reagieren. Zwei dieser wichtigen Enzyme sind die Alanintransaminase (ALT) und die Aspartattransaminase (AST).
Die Alanintransaminase (ALT) wird auch als ALAT für Alaninaminotransferase bezeichnet (früher GPT für Glutamat-Pyruvat-Transaminase) und kommt hauptsächlich in Hepatozyten vor. Sie katalysiert die Übertragung der Aminogruppe von Alanin auf α-Ketoglutarat:
Alanin + α-Ketoglutarat ⇌ Pyruvat + Glutamat
Die Aspartattransaminase (AST) wird auch als ASAT für Aspartataminotransferase bezeichnet (früher GOT für Glutamat-Oxalacetat-Transaminase) und kommt in Hepatozyten, Herzmuskel- und Skelettmuskelzellen vor. Sie katalysiert die Übertragung der Aminogruppe von Aspartat auf α-Ketoglutarat:
Aspartat + α-Ketoglutarat ⇌ Oxalacetat + Glutamat

Reaktionen der Alanintransaminase (ALT) und der Aspartattransaminase (AST)
Die ALT und die AST katalysieren die Übertragung der α-Aminogruppe auf das α-C-Atom von α-Ketoglutarat, wobei die der Aminosäure entsprechenden α-Ketosäuren – Pyruvat oder Oxalacetat – entstehen.
(Quelle: Königshoff, Brandenburger, Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2018)Die AST und die ALT treten neben anderen lebereigenen Enzymen bei Leberparenchymschäden gehäuft im Serum auf und sind z.B. für die Leberfunktionsdiagnostik von Bedeutung.
Die Transaminierung erscheint nur wenig sinnvoll, da aus einer Aminosäure und einer α-Ketosäure auch wieder eine Aminosäure und eine α-Ketosäure hervorgehen. Eine Schlüsselrolle spielt jedoch Glutamat, das durch Übertragung der Aminogruppe auf α-Ketoglutarat entsteht. Glutamat kann von der Glutamatdehydrogenase zu α-Ketoglutarat und Ammoniak abgebaut werden (s.u. oxidative Desaminierung). Ersteres kann z.B. in den Citratzyklus eingeschleust werden, Letzteres wird über den Harnstoffzyklus ausgeschieden. Die Transaminierung mit α-Ketoglutarat als Aminogruppenakzeptor stellt also beim Abbau vieler Aminosäuren einen entscheidenden Schritt dar.
Da Aminosäuren durch Transaminierung leicht ineinander umgewandelt werden können, spielt dieser Reaktionstyp auch bei der Aminosäuresynthese und beim Transport von Metaboliten vom Zytosol ins Mitochondrium eine wichtige Rolle. Für die Synthese von Alanin oder Aspartat wird die Aminogruppe von Glutamat auf Pyruvat bzw. Oxalacetat übertragen. In beiden Fällen ist α-Ketoglutarat das Produkt der Transaminierung.
Desaminierung
Bei der Desaminierung wird die Aminogruppe einer Aminosäure entfernt und als Ammoniak (NH3) freigesetzt, das bei physiologischem pH-Wert als Ammoniumion (NH4+) vorliegt. Im Harnstoffzyklus entsteht daraus Harnstoff, der ausgeschieden wird. Das Kohlenstoffgerüst kann in den Energiestoffwechsel eingeschleust werden. Man unterscheidet 3 Typen von Desaminierungen: die oxidative, die hydrolytische und die eliminierende.
Bei der oxidativen Desaminierung wird Glutamat zunächst oxidiert. Dadurch entstehen eine Iminosäure (die eine C=N-Doppelbindung besitzt) und NAD(P)H + H+. Im nächsten Schritt wird die Iminogruppe hydrolytisch abgespalten und es werden α-Ketoglutarat und freies NH4+ gebildet. Die oxidative Desaminierung von Glutamat zu α-Ketoglutarat und NH4+ liefert also Reduktionsäquivalente, die in die Atmungskette eintreten und der ATP-Gewinnung dienen können. Katalysiert wird die Reaktion, die in der mitochondrialen Matrix der Hepatozyten stattfindet, von der leberspezifischen Glutamatdehydrogenase (GLDH). Coenzyme der GLDH sind NAD+ oder NADP+. Die GLDH ist das einzige Enzym, das beide Coenzyme reduzieren kann.

Oxidative Desaminierung von Glutamat
Durch Oxidation von Glutamat entsteht eine Iminosäure mit einer Doppelbindung zwischen dem α-C-Atom und dem Stickstoffatom. Gleichzeitig nimmt NAD(P)+ 2 Elektronen und das Proton auf und wird zu NAD(P)H reduziert. Die Iminogruppe (HN=C) reagiert dann im nächsten Schritt mit Wasser und es entstehen α-Ketoglutarat und freies NH4+ (Ammonium). Katalysiert werden beide Reaktionen von der Glutamatdehydrogenase (GLDH).
(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)Die Reaktionen sind reversibel. In der reduktiven Aminierung, der umgekehrten Reaktion, katalysiert die GLDH die Bindung von Ammoniak an das Kohlenstoffgerüst von α-Ketoglutarat, sodass Glutamat entsteht.
In der hydrolytischen Desaminierung wird der Amidstickstoff aus der Carbonsäureamidbindung (CONH2) hydrolytisch abgespalten. Die hydrolytische Desaminierung von Glutamin zu Glutamat und Ammoniak wird von der Glutaminase katalysiert. Die Reaktion ist irreversibel. Die Synthese von Glutamin aus Glutamat und Ammoniak wird daher von einem anderen Enzym, der Glutaminsynthetase, katalysiert. Auch in der Seitenkette von Asparagin befindet sich eine Carbonsäureamidbindung. Durch hydrolytische Desaminierung, die von der Asparaginase katalysiert wird, entsteht neben Ammoniak Aspartat.

Hydrolytische Desaminierung von Glutamin
Die Umsetzung der Amidgruppe in der Seitenkette von Glutamin mit Wasser wird von der Glutaminase katalysiert.
(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)Serin, Threonin und Cystein, die in ihrer Seitenkette am β-C-Atom eine OH- oder SH-Gruppe besitzen, können durch β-Eliminierung desaminiert werden, eine Reaktion, die den Abbau dieser Aminosäuren einleitet. Unter Einwirkung einer Dehydratase entsteht zunächst ein ungesättigtes Zwischenprodukt. Dabei wird die OH- bzw. die SH-Gruppe unter Freisetzung von H2O bzw. H2S eliminiert. Das Zwischenprodukt wandelt sich spontan in ein Imin um, das wie beim zweiten Schritt der oxidativen Desaminierung (s.o.) hydrolytisch in eine α-Ketosäure und Ammoniak umgesetzt wird. Coenzym bei der eliminierenden Desaminierung ist wiederum Pyridoxalphosphat.

Eliminierende Desaminierung von Cystein
(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)Transaminierung und oxidative Desaminierung
Mithilfe dieses Videos (deutsche Sprache) kannst du die wesentlichen Merkmale der Transaminierung und der oxidativen Desaminierung noch einmal wiederholen. Zur besseren Übersichtlichkeit wurde die Transaminierung hier prinzipiell im Cytoplasma eingezeichnet, aber Transaminierungen finden auch in Mitochondrien statt. (Lernvideo zum Endspurt-Biochemieposter).
Decarboxylierung
Der erste Schritt des Aminosäureabbaus besteht meist in einer Transaminierung oder Desaminierung. Bei einigen Aminosäuren kann jedoch alternativ auch zuerst eine Decarboxylierung erfolgen, wodurch dann biogene Amine entstehen.
Die katalysierenden Enzyme sind die Aminosäuredecarboxylasen. Diese besitzen, wie die Transaminasen, die prosthetische Gruppe Pyridoxalphosphat (PALP), das sich von Vitamin B6 (Pyridoxin) ableitet (Umwandlung siehe Bild). Wie bei der Transaminierung (siehe Bild) bindet PALP unter Bildung einer Schiff-Base (Aldimin) an die Aminosäure. Anschließend spaltet sich die Carboxygruppe als CO2 vom α-C-Atom ab. Das biogene Amin wird hydrolytisch von PALP gelöst.

Mechanismus der PALP-abhängigen Decarboxylierung
Die Aldehydgruppe von PALP bildet mit der Aminogruppe der Aminosäure eine Schiff-Base. Die Carboxygruppe wird als CO2 abgespalten. Nach Übertragung eines Protons wird das biogene Amin hydrolytisch abgespalten und PALP ist regeneriert.
(Quelle: Königshoff, Brandenburger, Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2018)Bedeutung von Pyridoxalphosphat (PALP)
Pyridoxalphosphat ist Coenzym bei der Transaminierung, der eliminierenden Desaminierung und der Decarboxylierung von Aminosäuren. Es ist von überragender Bedeutung für den Aminosäurestoffwechsel.

Umwandlung von Vitamin B6 in Pyridoxalphosphat (PALP)
(Quelle: Königshoff, Brandenburger, Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2018)