Allgemeines
Die Gluconeogenese ist ein anaboler Stoffwechselweg. Sie dient der Glucosesynthese und damit der Aufrechterhaltung des Blutglucosespiegels von ca. 5 mmol l–1 auch während der Postresorptions- und Hungerphase, wenn der Glykogenvorrat in der Muskulatur und in der Leber verbraucht ist. Bei Nahrungsmangel werden zwar verstärkt Fettsäuren aus dem Fettgewebe freigesetzt, von anderen Geweben aufgenommen und zur Energiegewinnung genutzt, doch sind einige Gewebe auf die Versorgung mit Glucose
Die Gluconeogenese findet überwiegend in Leber und Niere statt. Nur diese beiden Organe sind mit dem vollständigen Satz an Enzymen für die Gluconeogenese ausgestattet. Mehr zur genaueren Lokalisierung der Gluconeogenese in der Niere findest du hier.
Ausgangsverbindung der Gluconeogenese ist meist Pyruvat, das mithilfe eines Transporters in die Mitochondrien gelangt. Nicht-Kohlenhydrate wie Lactat, Aminosäuren und Glycerin, die Vorstufen der Gluconeogenese sind, werden zunächst in Pyruvat umgewandelt. Andere Verbindungen wie Oxalacetat und Dihydroxyacetonphosphat treten an anderen Stellen in die Gluconeogenese ein.

Reaktionen der Glykolyse und der Gluconeogenese im Überblick
(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)Reaktionen der Gluconeogenese
In der Glykolyse wird Glucose
Hexokinase: Glucose
→ Glucose -6-phosphat Phosphofructokinase-1: Fructose-6-phosphat → Fructose-1,6-bisphosphat
Pyruvatkinase: Phosphoenolpyruvat → Pyruvat
In der Gluconeogenese werden für Umgehung dieser Reaktionen die folgenden 4 Enzyme, die teilweise in verschiedenen Kompartimenten vorkommen, benötigt:
Pyruvatcarboxylase (Mitochondrien)
Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase (PEP-Carboxykinase; Zytosol)
Fructose-1,6-bisphosphatase (Zytosol)
Glucose
-6-phosphatase (glattes endoplasmatisches Retikulum)

Reaktionen der Glykolyse und der Gluconeogenese
(Quelle: Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2022)Im Folgenden werden die Reaktionen der Gluconeogenese einzeln besprochen.
Pyruvat + CO2 + ATP + H2O → Oxalacetat + ADP + Pi
Mithilfe der Pyruvatcarboxylase wird die 10. Reaktion der Glykolyse (Pyruvatkinase-Reaktion) umgangen. Die Pyruvatcarboxylase katalysiert den ersten, geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Gluconeogenese: die Carboxylierung von Pyruvat unter ATP-Verbrauch zu Oxalacetat. Die Reaktion findet in den Mitochondrien statt. Coenzym der Pyruvatcarboxylase ist Biotin
Oxalacetat muss nun für die weiteren Reaktionen ins Zytosol transportiert werden. Da es die Mitochondrienmembran nicht passieren kann, wird es in eine der folgenden membrangängigen Substanzen umgewandelt:
Malat (Enzym: Malatdehydrogenase II des Citratzyklus): Oxalacetat wird zu Malat reduziert. Dieses gelangt ins Zytosol und wird dort von der Malatdehydrogenase I wieder zu Oxalacetat oxidiert. Dabei wird NADH gewonnen, das von der Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase (GAPDH) der Gluconeogenese benötigt wird.
Das zytosolische Malat kann auch vom Malatenzym in einer reversiblen Reaktion oxidativ zu Pyruvat und CO2 gespalten werden. Dabei entsteht NADPH, das für reduktive Biosynthesen zur Verfügung steht.Aspartat (Enzym: Aspartattransaminase, AST): Die AST überträgt eine Aminogruppe von Glutamat auf Oxalacetat, sodass Aspartat entsteht (Transaminierung). Aspartat gelangt ins Zytosol und wird dort von einer zytosolischen AST wieder in Oxalacetat umgewandelt, indem die Aminogruppe des Aspartats auf α-Ketoglutarat übertragen wird.
Citrat (Enzym: Citratsynthase des Citratzyklus): Die Citratsynthase wandelt Oxalacetat mit Acetyl-CoA in Citrat um. Das Citrat gelangt ins Zytosol und wird dort von der ATP-abhängigen Citratlyase wieder in Oxalacetat und Acetyl-CoA gespalten. Acetyl-CoA kann im Zytosol u.a. für die Fettsäuresynthese genutzt werden.

Transport des Oxalacetats durch die Mitochondrienmembran
Die Pyruvatcarboxylase carboxyliert Pyruvat unter Verbrauch von ATP zu Oxalacetat. Das Oxalacetat wird nun ins Zytosol transportiert. Für die Passage durch die Mitochondrienmembran gibt es 3 Möglichkeiten: als Malat, das durch Reduktion von Oxalacetat entsteht, als Aspartat, das durch Transaminierung von Oxalacetat entsteht, und als Citrat, das mithilfe von Acetyl-CoA aus Oxalacetat gebildet wird. Malat, Aspartat und Citrat passieren mithilfe von Transportern die Membran. Aus ihnen wird im Zytosol wieder Oxalacetat gebildet. AST, Aspartattransaminase
(Quelle: Königshoff, Brandenburger, Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2018)Oxalacetat + GTP ⇌ Phosphoenolpyruvat + GDP + CO2
Mithilfe der Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase wird ebenfalls die 10. Reaktion der Glykolyse (Pyruvatkinase-Reaktion) umgangen. Die PEP-Carboxykinase (PEP-CK) im Zytosol decarboxyliert Oxalacetat zu Phosphoenolpyruvat. Bei dieser Reaktion wird ein GTP verbraucht. Außerdem wird das CO2, das im vorherigen Schritt von der Pyruvatcarboxylase an Pyruvat addiert worden ist, wieder abgespalten. Die PEP-Carboxykinase ist das entscheidende Schlüsselenzym der Gluconeogenese. Bei der Reaktion wird das hohe Gruppenübertragungspotenzial des GTP genutzt, um eine Phosphorylgruppe auf Oxalacetat zu übertragen. Zusätzlich treibt die Decarboxylierung die Reaktion an. Auch die PEP-Carboxykinase ist ein Kontrollpunkt zur Regulation der Gluconeogenese.
Das gebildete Phosphoenolpyruvat wird nun von den Enzymen der Glykolyse zur Synthese von Fructose-1,6-bisphosphat genutzt, wenn die intrazellulären Bedingungen die Gluconeogenese begünstigen. Die Reaktionsschritte der Glykolyse laufen in umgekehrter Richtung ab, bis mit der Hydrolyse von Fructose-1,6-bisphosphat zu Fructose-6-phosphat die nächste irreversibe Reaktion erreicht ist, die umgangen werden muss.
Die folgenden 6 Reaktionen 3–8 werden also von Enzymen der Glykolyse katalysiert. In diesen Reaktionen wird das energiereiche Zwischenprodukt Phosphoenolpyruvat über Glycerinaldehyd-3-phosphat zu Fructose-1,6-bisphosphat umgesetzt.
Phosphoenolpyruvat + H2O ⇌ 2-Phosphoglycerat
Die Enolase hydratisiert Phosphoenolpyruvat zu 2-Phosphoglycerat.
2-Phosphoglycerat ⇌ 3-Phosphoglycerat
Die Phosphoglyceratmutase isomerisiert 2-Phosphoglycerat zu 3-Phosphoglycerat, indem sie die Phosphorylgruppe umlagert.
3-Phosphoglycerat + ATP ⇌ 1,3-Bisphosphoglycerat + ADP
Die Phosphoglyceratkinase überträgt eine Phosphorylgruppe von ATP auf das C1-Atom von 3-Phosphoglycerat, sodass 1,3-Bisphosphoglycerat entsteht.
1,3-Bisphosphoglycerat + NADH + H+ ⇌ Glycerinaldehyd-3-phosphat + NAD+ +Pi
Die Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase reduziert 1,3-Bisphosphoglycerat zu Glycerinaldehyd-3-phosphat unter Freisetzung von anorganischem Phosphat.
Für den weiteren Glucoseaufbau werden 2 Glycerinaldehyd-3-phosphate bzw. 1 Glycerinaldehyd-3-phosphat und 1 Dihydroxyacetonphosphat benötigt.
Glycerinaldehyd-3-phosphat ⇌ Dihydroxyacetonphosphat
Die Triosephosphatisomerase isomerisiert Glycerinaldehyd-3-phosphat zu Dihydroxyacetonphosphat.
Glycerinaldehyd-3-phosphat + Dihydroxyacetonphosphat ⇌ Fructose-1,6-bisphosphat
Die Aldolase A bildet nun in einer Aldoladdition aus den beiden C3-Körpern Glycerinaldehyd-3-phosphat (GAP; Glyceral-3-phosphat) und Dihydroxyacetonphosphat (DHAP; Glyceron-3-phosphat) den C6-Körper Fructose-1,6-bisphosphat.
Die folgende Reaktion ist wieder eine Umgehungsreaktion.
Fructose-1,6-bisphosphat + H2O → Fructose-6-phosphat + Pi
Mithilfe der Fructose-1,6-bisphosphatase wird die dritte Reaktion der Glykolyse (Phosphofructokinase-1-Reaktion) umgangen. Die Fructose-1,6-bisphosphatase wandelt Fructose-1,6-bisphosphat durch Abspaltung der Phosphorylgruppe in Fructose-6-phosphat um. Die chemische Energie der Phosphatbindung geht als Wärme verloren. Wie die Phosphofructokinase-1 der Glykolyse ist auch die Fructose-1,6-bisphosphatase ein allosterisches Enzym, das an der Regulation der Gluconeogenese beteiligt ist.
Fructose-6-phosphat ⇌ Glucose
Fructose-6-phosphat wird von dem glykolytischen Enzym Glucose
Die folgende Reaktion ist wieder eine Umgehungsreaktion.
Glucose
Mithilfe der Glucose
Für das Glucosegleichgewicht im Körper spielt das Vorkommen der Glucose
Ein Defekt in der Glucose
Energiebilanz der Gluconeogenese
Die Synthese von einem Glucosemolekül in der Gluconeogenese erfordert 6 energiereiche Nucleosidtriphosphate. In der Glykolyse liefert der Abbau von Glucose
Enzym | Reaktion | Gewinn an Nucleosidtriphosphaten |
Pyruvatcarboxylase | Pyruvat + CO2 + ATP + H2O → Oxalacetat + ADP + Pi | –1 ATP (×2) |
Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase | Oxalacetat + GTP ⇌ Phosphoenolpyruvat + GDP + CO2 | –1 GTP (×2) |
Phosphoglyceratkinase | 3-Phosphoglycerat + ATP ⇌ 1,3-Bisphosphoglycerat + ADP | –1 ATP (×2) |
Summe: | –3 ATP bzw. GTP (×2) | |
Für die Synthese von 1 mol Glucose |
Gluconeogenese
Mithilfe dieses Videos (deutsche Sprache) kannst du die wesentlichen Elemente der Gluconeogenese wiederholen. Auch werden Glykolyse und Gluconeogenese ausführlich miteinander verglichen (Lernvideo zum Endspurt-Biochemieposter).
In das Video hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen: Die beiden Malatdehydrogenasen sind vertauscht. Korrekt ist: Malatdehydrogenase I befindet sich im Zytosol, Malatdehydrogenase II befindet sich im Mitochondrium.