Grundlagen der Dekontamination
Durch Desinfektion und Sterilisation werden Keime inaktiviert (biozide Wirkung: bakterizid, fungizid, viruzid usw.). Dies geschieht niemals „schlagartig“, sondern die Anzahl der lebenden Keime nimmt während der Inaktivierung logarithmisch ab. Die Zeit, in der 90% der Keime inaktiviert werden, wird als D-Wert eines Mikroorganismus bezeichnet (üblicherweise in min). Nach Ablauf jedes D-Wert-Zeitintervalls ist die Keimzahl somit auf 1/10 des vorhergehenden Wertes verringert.
Der Erfolg von Abtötungsmaßnahmen (Dekontamination) ist vor allem abhängig von der Keimart, der Ausgangskeimzahl, der zur Verfügung stehenden Zeit, der Temperatur und bei chemischen Verfahren vom Wirkstoff und von dessen Konzentration.
Mikroorganismen sind gegen Dekontaminationsverfahren unterschiedlich empfindlich. Wachsende Zellen (vegetative Formen) sind beispielsweise empfindlicher als generative Formen (Überdauerungsstadien, z.B. Sporen). Das Robert Koch-Institut (RKI) hat 4 Wirkungsbereiche definiert.
Wirkungsbereich | Wirkung |
A | Abtötung aller vegetativen Bakterienformen (inklusive Mykobakterien) und Pilze sowie Pilzsporen |
B | Inaktivierung behüllter und unbehüllter Viren = viruzid Inaktivierung behüllter Viren = begrenzt viruzid Inaktivierung behüllter Viren sowie Adeno-, Noro und Rotaviren = begrenzt viruzid PLUS |
C | Abtötung der Sporen des Milzbranderregers (Bacillus anthracis) |
D | Abtötung der Sporen der Erreger von Gasödem (z.B. Clostridium perfringens) und Wundstarrkrampf (Clostridium tetani) |
Das RKI nennt für alle Anwendungs- und Wirkungsbereiche geprüfte, d.h. wirkungssichere Desinfektionsprodukte und -verfahren. Die „RKI-Liste“ ist für schwierigere Bedingungen („Seuchenfall“) ausgelegt und nach IfSG §18 auf Anordnung des Amtsarztes zwingend. Im Routinebetrieb müssen die RKI-Verfahren nicht angewendet werden.
Reinigung
Reinigung
Eine Reinigung ist die Entfernung von (meist sichtbarem) Schmutz.
Bei jeder Aufbereitung ist die Reinigung immer der erste Schritt. Für viele Anforderungen ist sie bereits ausreichend (z.B. Fußböden). Durch Reinigung kann die Keimzahl z.B. auf Instrumenten auf 1/1000 (3 log10-Stufen) der ursprünglichen Keimzahl reduziert werden.
Es gibt physikalische oder chemische Reinigungsverfahren, die auch kombinierbar sind (z.B. Ultraschallbecken mit Reinigungslösung). Sie können manuell oder automatisch (maschinell) durchgeführt werden.
Desinfektion
Desinfektion
Bei einer Desinfektion wird die Zahl von Krankheitserregern auf Flächen oder Gegenständen so weit reduziert (i.d.R. 5 log10-Stufen), dass von ihnen keine Infektion bzw. Erregerübertragung mehr ausgehen kann.
Chemische Desinfektion
Chemische Desinfektion
Bei der chemischen Desinfektion werden Erreger durch biozide Wirkstoffe inaktiviert.
Je nach Einsatzgebiet eignen sich unterschiedliche Wirkstoffe zur Desinfektion.
Händedesinfektion: Alkohol (+ rückfettende Zusätze wie Glyzerin)
Hautdesinfektion: Alkohol ca. 70% (mit PVP-JOD, Octenidin oder Chlorhexidin), PVP-Jod-Lösung (7,5–10% Jod)
Schleimhautdesinfektion: PVP-Jod-Lösung, Octenidin
Flächendesinfektion: Alkohol (vergällt, 60–70%), Aldehyde (formaldehydfrei), Präparat auf Basis eines Alkylaminderivats, Peressigsäure, Benzalkoniumchlorid
Instrumentendesinfektion: Aldehyde (Glutaraldehyd 2%), Präparat auf Basis eines Alkylaminderivats, quaternäre Ammoniumverbindungen (QAV)
Die Wirkstoffe werden dabei in unterschiedliche Klassen eingeteilt.
Wirkstoffklasse | Beispiel |
Ethanol, n-Propanol, Isopropanol | |
Formaldehyd (FA), Glutaraldehyd (GA), Orthophthalaldehyd (OPA) | |
quaternäre Ammoniumverbindungen (QAV) | Benzalkoniumchlorid |
auf Halogenbasis | Chlor, Na-Hypochlorit, Chloramin, PVP-Jod |
Peroxidverbindungen | Wasserstoffperoxid, Peressigsäure |
Phenol, Triclosan | |
Glucoprotamin | |
Farbstoffe | Kristallviolett |
Schwermetalle | Quecksilber, Silber |
sonstige | Chlorhexidin, Octenidin |
Der VAH (Verbund für Angewandte Hygiene e.V.) ist eine Interessengemeinschaft, die in Deutschland Verfahren zur Prüfung von Desinfektionsmitteln etabliert hat. Die VAH-Liste enthält chemische Desinfektionsmittel für Hände, Haut, Flächen, Instrumente (ohne maschinelle Verfahren) und Wäsche (mit maschinellen Verfahren). Getestet wird die Wirksamkeit gegen (vegetative) Bakterien, Pilze und z.T. gegen Viren. Die VAH-Prüfung dient dem Anwender als Wirksamkeitsnachweis für die Routine.
Einige chemische Wirkstoffgruppen (z.B. QAV) haben Wirkungslücken.
Manche Organismen können gegenüber einzelnen Wirkstoffen eine primäre bakterielle Resistenz zeigen (z.B. Pseudomonas aeruginosa gegenüber Triclosan) oder es kann zur Adaptation kommen. Besonders unempfindlich gegen Desinfektionsstoffe sind Bakterien, wenn sie Sporen bilden und/oder im Biofilm wachsen. Unbehüllte Viren, wie etwa Noroviren, sind gegen manche Mittel resistent.
Manche Wirkstoffe können durch andere Substanzen gestört oder inaktiviert werden, z.B. QAV durch anionische Tenside (Seifenfehler) oder Chlor durch Proteine (Eiweißfehler).
Gleichzeitig eingesetzte Desinfektionsmittel können sich überlagern und dabei durch Zersetzung ihre Wirkung verlieren.
Das Desinfektionsmittel kann selbst verkeimt sein und zum Infektionsauslöser werden.
Chemisch desinfizierte Instrumente müssen nach Desinfektion mit Wasser gespült werden – hier besteht Rekontaminationsgefahr.
Chemische Desinfektionsmittel sind oft gefährlich (hochentzündlich, ätzend, gesundheitsschädlich, reizend, allergisierend) und deshalb ein Gesundheitsrisiko für Personal und Patienten.
Generell ist die chemische Desinfektion mit relativ hohen Materialkosten und z.T. mit Korrosionsrisiken verbunden. Sie erzeugt Abfälle und z.T. Luft- und Abwasserbelastungen. Deshalb sind physikalische Desinfektionsverfahren sicherer und den chemischen vorzuziehen.
Es gibt auch bei Desinfektionsmitteln erworbene Resistenzen oder Toleranzen, was aber bislang in der allgemeinen Praxis kaum bedeutsam ist. Eine reduzierte Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln ist z.B. bei Schwermetallen (Silber, Quecksilber), Aldehyden, Chlor, Benzalkoniumchlorid oder Chlorhexidin beschrieben. Es sind sogar Desinfektionsmittelresistenzerscheinungen bekannt, die mit einer verminderten Antibiotikawirkung gekoppelt waren: In einem Beispiel war eine reduzierte Chlorhexidinwirkung mit einer Vielzahl von Antibiotikaresistenzen gekoppelt, in einem anderen Beispiel korrelierte die Resistenz gegen Benzalkoniumchlorid mit Resistenz gegen β-Laktam-Antibiotika.
Aus Vorsorgegründen dürfen Desinfektionsmittel nur gezielt und in wirksamer Konzentration eingesetzt werden. Desinfektionsmittel sollten generell nur professionell und nicht regelmäßig im Privathaushalt angewendet werden.
Physikalische Desinfektion
Physikalische Desinfektion
Bei der physikalischen Desinfektion werden Mikroorganismen durch Hitze (trockene Hitze oder Dampf) oder Strahlung (z.B. UV-Licht, γ-Strahlung) abgetötet.
In der Praxis wird vor allem die thermische Desinfektion durch Hitze eingesetzt. Dabei ist die maschinelle Reinigung und Desinfektion von Medizinprodukten in einem vollautomatischen Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) einer manuellen Aufbereitung vorzuziehen.
Dokumentation des Prozesses (wichtig für eine Validierung)
keine Wirkungslücken
Arbeitssicherheit und Personalschutz
höhere Umweltverträglichkeit.
hohe Anschaffungskosten der RDG sowie die Thermolabilität mancher Materialien
hohe Energiekosten.
Ein Beispiel für eine thermische Desinfektion ist die Instrumentendesinfektion, die in speziellen Reinigungs- und Desinfektionsgeräten (RDG) durchgeführt wird. Um bei einem rein thermischen Verfahren die Reduktion von Krankheitserregern um 5 log-Stufen zu erreichen, müssen die RDG mindestens folgende Parameter einhalten: 80°C (Haltezeit 10 min). Hitzestabile Hepatitis-B-Viren werden dadurch jedoch nicht abgetötet. Dazu sind in RDGs Temperaturen von 90°C nötig (Haltezeit 5 min). Dies entspricht einem Maß der Wirksamkeit, welches z.B. zur Vorbereitung von Operationsbesteck nötg ist. Bei chemothermischen Verfahren beträgt die Temperatur 60°C (Haltezeit 15 min) unter Zusatz eines Desinfektionsmittels.
Chemothermische Desinfektion
Die chemothermische Desinfektion ist die Kombination beider Desinfektionsverfahren, d.h. die Einwirkung eines bioziden Wirkstoffes bei höherer Temperatur (z.B. maschinelle Endoskopaufbereitung).
Sterilisation
Sterilisation
Bei der Sterilisation wird die Anzahl der lebenden Mikroorganismen auf ≤ 10−6 pro Einheit des Sterilisierguts reduziert.
Medizinprodukte, die in Kontakt mit Blut, inneren Geweben, Organen und Wunden kommen, müssen steril sein. Ein Gegenstand wird als steril angesehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein einzelner vermehrungsfähiger Organismus oder ein Virus darauf vorhanden ist, kleiner oder gleich 10–6 ist (Europäisches Arzneibuch).
Das Sterilisiergut muss vor der Sterilisation vollständig gereinigt werden und trocken sein. Wichtige Sterilisationsverfahren sind
Dampfsterilisation („feuchte Hitze“, z.B. 134°C für 5 min oder auch 121°C für 20 min)
Heißluftsterilisation („trockene Hitze“; z.B. 180°C, 30 min)
Sterilisation mit Strahlen (β- oder γ-Strahlen; praktisch nur industriell eingesetzt)
Plasmasterilisation (H2O2)
Gassterilisation (Ethylenoxid, Formaldehyd).
Thermische Verfahren werden bevorzugt für metallische Geräte angewendet, Strahlen-, Plasma- und Gassterilisation eignen sich insbesondere für thermolabile Materialien wie Plastikspritzen und -infusionsbestecke
Reinigung, Desinfektion und Sterilisation sind wichtige Maßnahmen im Krankenhausalltag und deshalb auch immer wieder Thema in Prüfungen. Schau dir die Definitionen der verschiedenen Maßnahmen an und mache dir klar, wann welche Maßnahme angewendet wird bzw. angewendet werden muss.

Aldehyde
Methanal ist das einfachste Alkanal, Benzaldehyd das einfachste aromatische Aldehyd.
(Quelle: Endspurt Chemie, Thieme, 2020)