Dysgnathie-Chirurgie
Vorbemerkungen
Die chirurgische Kieferorthopädie beinhaltet operative Korrekturen angeborener oder erworbener Fehlbisse und Deformitäten des Kiefer-Gesichtsbereiches, diese können symmetrisch oder asymmetrisch auftreten. Ihre Häufigkeit wird bei fehlenden genauen Zahlen auf etwa 10% der Bevölkerung geschätzt. Dabei sind in Südeuropa erfahrungsgemäß häufiger Angle-Klasse-III-Anomalien, in Nordeuropa häufiger Angle-Klasse-II-Anomalien anzutreffen.
Geschichte
Da sich die Fehlbisschirurgie initial nur auf sehr ausgeprägte Situationen konzentrierte, begann die Ära der chirurgischen Umstellung des Unterkiefers 1849, als Hullihen einen durch Narbenzug entstandenen frontal offenen Biss mit einer alveolären Osteotomie (= geplantes und kontrolliertes chirurgisches Durchtrennen von Knochengewebe) am Unterkiefer erfolgreich behandelte. Angle (1898) und der Chirurg Blair (1906), führten 1897 in der „St. Louis Operation“ eine Unterkieferrückverlagerung mit einer beidseitigen Ostektomie des Unterkieferkörpers durch. Die häufig praktizierte Kondylektomie oder horizontale Osteotomie des aufsteigenden Unterkieferastes, die von extraoral teilweise blind über kleine Hautschnitte zum Einführen einer Handsäge ausgeführt wurden, wiesen extrem hohe Rezidivquoten von bis zu 50% auf. Das Hauptproblem bei dieser Technik war die Fixierung des proximalen Fragments, das durch Zug des M. pterygoideus lateralis und des M. temporalis unkontrolliert verlagert wurde. Ernst gelang 1927 die horizontale Osteotomie des aufsteigenden Unterkieferastes ausschließlich über einen intraoralen Zugang unter Schonung des Nervus alveolaris inferior.