SARS-CoV und MERS-CoV
Bislang existieren weder Medikamente noch Impfstoffe gegen das durch SARS-CoV ausgelöste schwere akute respiratorische Syndrom bzw. gegen das durch MERS-CoV ausgelöste Middel East Respiratory Syndrom.
Anhand von in vitro- und Tierversuchen sowie klinischen Studien mit SARS-CoV oder MERS-CoV wurden für verschiedene Wirkstoffe antivirale Effekte postuliert, aber nicht bewiesen. Zu diesen Substanzen gehören u. a. Interferone, Ribavirin
Die Studien hierzu können über die „WHO International Clinical Trials Registry Platform“ (https://www.who.int/ictrp/en/) eingesehen werden. Eine Liste mit potenziellen Therapeutika wurde via Public Health England und dem International Severe Acute Respiratory and Emerging Infection Consortium zusammengestellt. Diese Daten sind u. A. Ausgangspunkt der Forschung für die Behandlung von COVID-19 und die Vakzinentwicklung gegen das COVID-19 auslösende Virus SARS-CoV-2.
SARS-CoV-2
Allgemeines
Detaillierte Informationen zur Struktur und zum Replikationszyklus von SARS-CoV-2 findest du in der Mikrobiologie. Mehr zur Epidemiologie, Infektiösität, Übertragung und Symptomatik findest du im Modul COVID-19.
Die klinische Ausprägung einer Infektion mit SARS-CoV-2 kann sehr variabel sein. COVID-19 kann asymptomatisch verlaufen oder nur mit milden Erkältungserscheinungen einhergehen. Die Erkrankung kann jedoch auch über schwere akute respiratorische Probleme bis hin zu akutem Lungenversagen, multiplem Organversagen und zum Tode führen. Die Letalität von COVID-19 ist seit Beginn der Pandemie aufgrund zunehmender Immunkompetenz der Bevölkerung (steigende Anzahl an durchgemachten Infektionen und Impfungen) und weniger schwer verlaufenden Virusvarianten deutlich zurückgegangen.
Während der Pandemie war die weitere Entwicklung von Viruseigenschaften und Krankheitsverlauf ungewiss, sodass die angekurbelte Forschung an gezielten Therapien und Wirkstoffen gegen SARS-CoV-2 auf Hochtouren lief. Auf diese Weise wurden zahlreiche klinische Studien zu verschiedenen Therapiestrategien durchgeführt, die vor allem das Ziel verfolgten, die Wahrscheinlichkeit für schwere klinische Verläufe bei Risikopatienten zu reduzieren.
Zu Beginn der Pandemie basierte der wissenschaftliche Austausch zu ersten Forschungsergebnissen aufgrund der dramatischen Situation in hohem Maße auf sog. pre-published papers (preprints), also ohne Qualitätssicherung durch den sonst üblichen, zeitaufwändigen Review-Prozess. Inzwischen ist die Forschung so weit fortgeschritten, dass es evidenzbasierte Empfehlungen und offizielle Zulassungen für den Einsatz einzelner Medikamente in der Behandlung von COVID-19 gibt.
Aufgrund der kontinuierlichen Re-Evaluation im Rahmen weiterer klinischer Studien und stetigen Mutationen von SARS-CoV-2 (die teilweise deutlich seltener zu schweren Verläufen und somit der Notwendigkeit einer gezielten Therapie führen) ist es durchaus möglich, dass sich die Auswahl der zur Verfügung stehenden Medikamente weiterhin ändern wird. Die AWMF arbeitet aus diesem Grund auch mit einer sogenannten "Living Guideline", welche mehrmals pro Jahr aktualisiert wird. In diesem Modul sind lediglich die derzeit zugelassenen und laut Leitlinie empfohlenen Substanzen thematisiert. Diese Medikamente unterliegen trotz ihrer Empfehlung einer zusätzlichen Überwachung, um noch unbekannte Nebenwirkungen frühzeitig zu identifizieren.
Prinzipiell kommen antivirale und immunmodulatorische Medikamente in der Behandlung von COVID-19 zum Einsatz. Die antiviralen Substanzen werden dabei eher in der Frühphase der COVID-19-Erkrankung eingesetzt, um das Risiko für klinisch schwere Verläufe oder die Hospitalisierungslänge zu reduzieren. Immunmodulatorische Therapien kommen eher in fortgeschrittenen Behandlungsstadien (z.B. bestehende Sauerstoff- oder Beatmungspflichtigkeit) zum Einsatz.
Aktuell sind in Deutschland die folgenden Wirkstoffe zur COVID-19-Behandlung zugelassen:
antiviral: NirmatrelvirRitonavir
(Protease-Inhibitor), Remdesivir (Nukleosidanalogon und RNA-Polymerasehemmer) immunmodulatorisch: Baricitinib
(Januskinase-Inhibitor), Tocilizumab (monoklonaler IL-6-Antikörper), Dexamethason (Glukokortikoid).
Antivirale Wirkstoffe
Das Grundprinzip antiviraler Wirkstoffe bei der Behandlung von COVID-19 liegt in der Hemmung der Replikation und somit Vermehrung des Virus. Diese Medikamente werden daher eher in der Frühphase der Erkrankung eingesetzt, um besonders bei Risikopatienten das Risiko für schwerwiegende Verläufe zu reduzieren.
Indikation und Zulassung: Es besteht eine offene Empfehlung („kann“-Empfehlung) für die Anwendung von NirmatrelvirRitonavir
Wirkungen: Nirmatrelvir inhibiert die 3-CL-Protease („chymotrypsin-like cysteine“) und hemmt auf diese Weise die Virusreplikation von SARS-CoV-2. Ritonavir
Die meisten Medikamente, die zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt werden, haben sich bereits seit mehreren Jahren zur Behandlung anderer Erkrankungen bewährt und werden nun „umfunktioniert“. Ritonavir
Pharmakokinetik: Beide Wirkstoffe werden in Kombination oral eingenommen.
Unerwünschte Wirkungen und Kontraindikationen: Derzeit bekannte Nebenwirkungen sind Geschmacksstörungen, Diarrhö, Kopfschmerzen und Erbrechen.
Das Medikament sollte bei Einschränkung der Nierenfunktion je nach GFR nicht oder nur in reduzierter Dosierung angewendet werden. Weitere Kontraindikation ist eine schwere Leberfunktionseinschränkung (Child-Pugh C). Bei vorbestehenden Lebererkrankungen sollten die Leberwerte während der Behandlung mit NirmatrelvirRitonavir
In Schwangerschaft und Stillzeit sollte das Medikament nicht zur Anwendung kommen (Reproduktionstoxizität von Ritonavir
Wechselwirkungen: Aufgrund der Beeinträchtigung von CYP-3A4 durch Ritonavir
Indikation und Zulassung: Es besteht eine offene Empfehlung („kann“-Empfehlung) für die Anwendung von Remdesivir
Für den Einsatz bei hospitalisierten Patienten mit COVID-19-Pneumonie und Sauerstoffpflichtigkeit (Low-Flow-Sauerstofftherapie, keine High-Flow-Therapie oder Beatmung) wird Remdesivir
Bei invasiv beatmeten COVID-19-Patienten soll Remdesivir
Für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren ist die Anwendung von Remdesivir
Wirkungen: Der aktive Metabolit GS-441524 hemmt die virale RNA-Polymerase und führt zum Kettenabbruch bei der RNA-Replikation.
Remdesivir
Pharmakokinetik: Die Applikation erfolgt intravenös.
Unerwünschte Wirkungen und Kontraindikationen: Remdesivir
In Schwangerschaft und Stillzeit sollte das Medikament nicht zur Anwendung kommen, ggf. Einzelfallentscheid bei klinisch kritischem Zustand der Patientin.
Wechselwirkungen: Eine gleichzeitige Gabe von Dexamethason
Immunmodulatorische Therapien
Immunmodulatorische Wirkstoffe sollen bei fortgeschrittener COVID-19-Erkrankung vor allem einer Hyperinflammation entgegenwirken und kommen daher in späteren Erkrankungsstadien zum Einsatz.
In der Vergangenheit beschäftigten sich verschiedene Studien ebenfalls mit der Anwendung monoklonaler Antikörper gegen unterschiedliche Bestandteile des SARS-CoV-2-Spike-Proteins. Der Wirkmechanismus dieser Antikörper beruht auf einer Inhibition der Bindung am ACE2-Rezeptor und somit des Viruseintrittes in die Zelle. Aufgrund des Vormarsches der Omikron-Variante und ihren Sublinien mit Mutationen im Spike-Protein hat die Bedeutung dieser Therapiestrategie mittlerweile jedoch stark abgenommen. Eine Monotherapie mit monoklonalen Antikörpern wird in Deutschland derzeit nicht empfohlen.
Indikation und Zulassung: Kortikosteroide bilden die Basis der immunmodulatorischen Therapie und kommen von allen antiinflammatorischen Substanzen im frühesten Krankheitsstadium zum Einsatz. Dennoch sind sie lediglich ab einer Sauerstoff- oder Beatmungspflichtigkeit (nichtinvasiv oder invasiv) mit Zeichen einer COVID-19-Pneumonie (Tachypnoe, schwere Dyspnoe) für Patienten ab 12 Jahren und ≥ 40 kg empfohlen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass bei diesen Patienten die Letalität durch eine Kortikosteroidtherapie signifikant reduziert werden konnte. Bei milder bis moderater Erkrankung ohne Sauerstoffgabe oder sonstige Symptome einer schweren Pneumonie soll keine Kortikosteroidtherapie erfolgen.
In der Therapie von COVID-19 kommt hauptsächlich Dexamethason
Pharmakokinetik: Die Gabe von Dexamethason
Zu den erwünschten und unerwünschten Wirkungen, Kontraindikationen und Wechselwirkungen von Dexamethason
Kortikosteroide können prinzipiell auch zur Behandlung einer schweren COVID-19-Pneumonie in der Schwangerschaft eingesetzt werden. In diesem Anwendungsfall haben die Medikamente einen Zusatznutzen: Bei einem Einsatz zwischen der 23+5. und 34+0. SSW ermöglichen sie gleichzeitig eine antenatale Steroidprophylaxe („Lungenreife“
Indikation und Zulassung: Baricitinib
Die Behandlung wird unter Beachtung der Kontraindikationen für Patienten mit COVID-19-Pneumonie und Sauerstoffpflichtigkeit (Low-Flow- oder High-Flow-Therapie) oder nichtinvasiver Beatmung (Einzelfallentscheidung bei invasiver Beatmung) zusätzlich zur Kortikosteroidtherapie empfohlen.
Wirkungen: Baricitinib
Pharmakokinetik: Die Einnahme erfolgt per os.
Unerwünschte Wirkungen: Neutropenie, Thromboembolie, Hyperlipidämie, Erhöhung von Transaminasen, Reaktivierung von Tuberkulose, HBV, HSV (Herpes zoster), Infektneigung.
Kontraindikationen: schwere Nieren- oder Leberfunktionseinschränkung, Verdacht oder Nachweis einer bakteriellen oder Pilz-Coinfektion (dann zurückhaltende Indikation, keine absolute KI), HBC- oder HCV-Infektion, latente Tuberkulose (vor Therapiebeginn serologischer Ausschluss bei Verdacht), Risikofaktoren für oder bestehende thrombembolische Ereignisse. Bei Patienten mit Risikofaktoren für thrombembolische Ereignisse kann die Indikation im Einzelfall erwogen werden.
Immunsupprimierte Patienten (aktive Tumorerkrankung oder Chemotherapie) wurden in bisherigen Studien ausgeschlossen. Daher ist auch für diese Patientengruppe die Indikation im Einzelfall sorgsam abzuwägen.
Bei Zeichen für eine (pulmonale) Hyperinflammation (starke CRP-Erhöhung zu Beginn der Sauerstoffpflichtigkeit und rascher Anstieg des Sauerstoffbedarfes) ist Tocilizumab
In Schwangerschaft und Stillzeit sollte das Medikament nicht zur Anwendung kommen (mangelhafte Datenlage, jedoch Reproduktionstoxizität in tierexperimentellen Studien).
Wechselwirkungen: Es gibt noch keine Daten zur Sicherheit einer Kombinationstherapie mit Tocilizumab
Indikation und Zulassung: Tocilizumab
Tocilizumab
Wirkungen: Bei einer kleineren Patientenzahl entsteht eine hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH), durch die es zu einem fulminanten Zytokinsturm mit multiplem Organversagen kommen kann. In diesen COVID-19-Patienten konnten eine starke Zunahme der Zytokine IL-2, IL-7, GM-CSF, CXCL10, MIP-1α, TNF-α und IL-6, sowie erhöhte Ferritin-Level detektiert werden. Tocilizumab
Pharmakokinetik: Die Gabe erfolgt einmalig intravenös. In Einzelfällen kann eine einmalige Wiederholung der Gabe nach 12 bis 24 Stunden bei hoher entzündlicher Aktivität erwogen werden.
Unerwünschte Wirkungen: Leukopenie, Neutropenie, Thrombopenie, Exanthem, Übelkeit, Diarrhö, Kopfschmerzen, Schwindel, arterielle Hypertonie, Hepatotoxizität, Lipaseerhöhung, Infektneigung.
Aufgepasst! Da die CRP-Ausschüttung im Rahmen einer Entzündungsreaktion vor allem durch IL-6 stimuliert wird, ist das CRP während der Tocilizumab
Kontraindikationen: Verdacht oder Nachweis einer bakteriellen oder Pilz-Infektion (Einzelfallentscheid), HBC- oder HCV-Infektion, latente Tuberkulose (vor Therapiebeginn serologischer Ausschluss bei Verdacht), Neutropenie, Thrombopenie, Transaminasenerhöhung über 10-Faches der Norm.
Immunsupprimierte Patienten wurden in bisherigen Studien ausgeschlossen. Daher besteht für diese Patientengruppe keine Therapieempfehlung, der Einsatz des Medikamentes kann ggf. im Einzelfall sorgsam abgewogen werden.
Während der Schwangerschaft sollte das Medikament nicht zur Anwendung kommen (erhöhtes Risiko für Spontanaborte in tierexperimentellen Studien).
Wechselwirkungen: Eine Kombinationstherapie mit JAK-Inhibitoren (Baricitinib
Weiterführende Informationen
„Hinweise zu Erkennung, Diagnostik und Therapie von Patienten mit COVID-19“ des STAKOB (Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger am Robert-Koch-Institut)
Unter einer Lungenreifung versteht man die Gabe von Glukokortikoiden zur Prophylaxe des Respiratory-Distress-Syndroms (RDS) des Frühgeborenen zwischen Ende der 24. und 34. SSW zur Steigerung der intraalveolären Surfactant-Synthese und Vermeidung eines Surfactant-Mangel-Syndroms.
Die rheumatoide Arthritis ist eine chronisch-entzündliche, autoimmune Systemerkrankung, die ausgehend von einer destruierenden Synovialitis zu einer progredienten Zerstörung des Gelenks führt und mit extraartikulären Manifestationen einhergehen kann.